Realistisches Krisenmanagement gefragt

Die Entwicklung der Energiepreise fordert von der Politik das richtige Augenmaß und rasches Handeln.

Der Angriffskrieg in der Ukraine ist eine furchtbare humanitäre Katastrophe in Europa. Die Industrie trägt daher die bisher beschlossenen Sanktionen gegen die Russische Föderation mit. Gleichzeitig ist klar: Wir müssen die Auswirkungen auf die heimischen Unternehmen und ihre Beschäftigten im Blick behalten. Die horrenden Energiepreise haben existenzbedrohende Ausmaße für Betriebe und ihre Beschäftigten angenommen. Nach den Teuerungen aufgrund der COVID-19-Krise hat die Invasion Russlands die Lage noch zusätzlich verschärft. Der Gaspreis beispielsweise hat sich im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie versiebenfacht. 

Vor diesem Hintergrund braucht es ein nachvollziehbares Krisenmanagement und umgehend wirksame Entlastungsmaßnahmen, für die wir als Industriellenvereinigung eine konkrete Agenda entwickelt haben (siehe Titelbeitrag Seite 6 – 7). Wichtig ist aber auch vor allem eines: Die Politik muss Augenmaß bewahren. Das Vorhaben der EU-Kommission, die Gasimporte aus Russland bis Ende des Jahres um zwei Drittel zu reduzieren, ist gut gemeint, aber schlichtweg unrealistisch. Die 80 Prozent Gas aus Russland lassen sich in Österreich so schnell nicht ersetzen. Dafür fehlt die Infrastruktur, wie etwa für Flüssiggas. Dass die EU-Kommission aktuell intensiv an Alternativen zum russischen Gas arbeitet, ist positiv. Aber: Bis wir wirklich vom russischen Gas unabhängig werden können, dauert es mehrere Jahre. Die Lage ist sehr ernst - die Energieversorgung Österreichs steht seit Wochen auf dem Spiel. Sollte es zu einem Gas-Lieferungsstopp kommen, könnten Haushalte zur Not mit dem eigenen und mit norwegischem Gas gerettet werden. Aber für die Konsumenten als Arbeitnehmer wären die Folgen eines Embargos fatal. Dieses würde die energieintensive Industrie sofort treffen, etwa Stahlindustrie, Papierindustrie, Zementindustrie, aber auch die Lebensmittelindustrie. Zehntausende Beschäftigte und ihre Familien wären direkt betroffen, ganz zu schweigen von der Zulieferindustrie und ihren Mitarbeitern. Die Witterung macht die Situation nicht wirklich einfacher: Der Gasverbrauch sinkt zwar in der wärmeren Jahreszeit, aber ohne Gas geht in der Industrie kaum etwas. 

In diesem Sinn ist klar: Der russische Krieg gegen die Ukraine erfordert ein klares und konsequentes Auftreten und punktgenau wirksame Sanktionen. Die Selbstzerstörung des Standortes gehört nicht dazu. Realismus und Augenmaß sind in jeder Hinsicht für den Weg aus der Krise geboten.

Christoph Neumayer
Foto: IV/Michalski

Ihr Christoph Neumayer,

IV-Generalsekretär