Energiepreise bedrohen Standort: 5 Maßnahmen, die jetzt helfen

Die Energiepreise haben sich innerhalb eines Jahres vervielfacht; 2023 könnte die Situation für viele Unternehmen noch dramatischer werden. Die IV schlägt fünf ganz konkrete Maßnahmen vor, die ein schnelles Gegensteuern ermöglichen.

Die hohen Energiepreise bedrohen Produktion und Arbeitsplätzein Österreich.
„Die Situationist mehr als dramatisch“ , richtet IV-Präsident Georg Knill seinen Appell an die Politik. „VielenUnternehmen steht das Wasser bis zum Hals.“ Um ein rasches Handeln zu unterstützen, legt die Industriellenvereinigung einen Werkzeugkoffer mit fünf konkreten Maßnahmen vor:

  • die Ausweitung vorhandener Hilfsinstrumente,
  • eine Liquiditätsstärkung für Unternehmen,
  • eine Vorbereitung der Verwaltung auf Kurzarbeit,
  • die Reform des europäischen Strommarkts
  • und ein gemeinsamer europäischer Energieeinkauf.

Binnen eines Jahres hat sich der Gaspreisverzehnfacht und der Strompreis versechsfacht.Kommendes Jahr wird es für viele weitere Unternehmen eng, die langfristige Verträge abgeschlossen haben.Etliche davon laufen mit Ende des Jahresaus. „Beispielsweise steht ein mittelgroßesIndustrieunternehmen mit Energiekosten von rund einer Million Euro pro Jahr nun vor der Herausforderung, im kommenden Jahr zwölf Millionen Euro für die benötigte Energie zu stemmen – das geht sich einfachnicht mehr aus”, so Knill. Dutzende Unternehmenstehen schon jetzt vor diesemDilemma. Die Lage werde auch kurzfristigbereits spürbare Effekte haben: „Es drohenProduktionsdrosselungen und Arbeitslosigkeitin Österreich, sofern nicht konsequentund schnell gegengesteuert wird“.Erhöhung und Verlängerungdes EnergiekostenzuschussesIn einem ersten Schritt schlägt die IV eineErhöhung des Energiekostenzuschussesauf 2,5 Mrd. Euro samt Verlängerung insnächste Jahr vor. Bisher gilt der direkteZuschuss nur bis Jahresende für jeneUnternehmen, bei denen die Energiebeschaffungskostenmindestens drei Prozentdes Produktionswertes betragen oder beidenen die nationale Energiesteuer mehr0,5 % des Nettoproduktionswertes beträgt.Die Regierung sieht dafür bisher450 Mio. Euro vor. „Als Akuthilfe brauchtes eine Überarbeitung der bestehendenHilfsmittel wie des Energiekostenzuschussesund der Strompreiskompensation.Ersterer sollte, äquivalent zu den gestiegenenEnergiekosten, ein Volumen vonmindestens 2,5 Mrd. Euro umfassen undbis zum nächsten Jahr verlängert werden“,fordert Knill.Ein weiteres treffsicheres Hilfsinstrumentist die Strompreiskompensation. Dabeihandelt es sich um die von der EU bereits2013 eingeräumte Möglichkeit, Unternehmeneinen Teil der indirekten CO2-Kostenzu erstatten. Bereits 14 EU-Mitgliedsstaaten ,darunter Deutschland, Tschechien,Frankreich, die Slowakei, Polen, Spanien und Finnland, sowie Norwegen und das Vereinigte Königreich, machen davon Gebrauch. Der Entwurf für die Umsetzung in Österreich liegt vor, muss aber aus Sicht der IV so angepasst werden, dass es nicht zu einer Wettbewerbsverzerrung innerhalb Europas zulasten der österreichischen Industrie kommt. Dafür ist eine Ausweitung der begünstigten Sektoren und eine Verlängerung der Kompensation bis 2030 wie in Deutschland erforderlich. Erst am19. August genehmigte die Kommission für Deutschland 27,5 Milliarden Euro an Strompreiskompensation für den Zeitraum 2021 bis 2030. Es gibt keine Gründe, warum ein vergleichbares Instrument in Österreichnicht implementiert werden sollte. Ergänzend zur Anpassung dieser Hilfsmittel braucht es ein Werkzeug, das Unternehmen kurzfristig bei der Beschaffungund Absicherung der notwendigen Energieunterstützt. Dafür schlägt die IV staatliche Garantien vor – ähnlich wie währendder COVID-19-Akutphase. Als steuerliche Maßnahme braucht es zudem die dauerhafte Einführung eines dreijährigen Verlustrücktragsfür Unternehmen, um die Liquiditätder Betriebe zu stärken. Erste Unternehmen, wie der Faserhersteller Lenzing AG im Burgenland, denken bereitsoffen darüber nach, die Produktion zurückzufahren und melden dementsprechend Kurzarbeit an. Noch sind es Einzelfälle, daskönnte sich aber rasch ändern, mahnt Knill: „Sollte es aufgrund unbezahlbarer Energiekostenoder einer Energiemangellage zu Produktionsdrosselungen in den Betrieben kommen, droht eine Kurzarbeitswelle, ähnlichder Coronajahre 2020 und 2021”. Die Verwaltung muss jetzt darauf vorbereitetwerden, um im Ernstfall bereit zu sein.

Temporäre Anpassung der Strompreisbildung

Eines der Grundprobleme der aktuellen Entwicklungender Energiepreise liegt in der Strompreisbildung, die auf europäischer Ebene geregelt ist und damit auch nur dort gelöst werden kann. Dass der europäische Strommarkt reformiert werden muss, hat auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits angekündigt. Die fragliche Merit-Order, die derzeit die Strompreisbildung bestimmt, stehe dabei allerdings erst mittel oder langfristig zur Debatte. Aus Sicht der IV ist eine raschere Änderung des Systems als temporäre Maßnahme notwendig. Das Grundprinzip der marktbasierten Strompreisbildung soll nicht verworfen werden.

Zur Erinnerung: Bei der Merit-Order bestimmt das teuerste Kraftwerk den Preis für Strom. Zuerst wird das günstigste Kraftwerk eingeschaltet, dann das zweitgünstigste, und so weiter, bis der Bedarfgedeckt ist. Das letzte zugeschaltete Kraftwerk ist demnach das teuerste und bestimmt den Preis für alle anderen – derzeit sind das Gaskraftwerke. „Europäische Herausforderungen, braucheneuropäische Antworten. NationaleAlleingänge im Bereich der Stromversorgungschwächen lediglich einzelne Staatenund dienen der Symptombekämpfung, während die Wurzel des Problems unberührt bleibt. Daher ist das Strommarktdesign dahin gehend zu reformieren und die Merit-Order weiterzuentwickeln. Die Industrie unterstützt die Bundesregierung ausdrücklich darin, diese Reform auf europäischer Ebene anzustoßen und voranzutreiben“,so Knill. „Klar ist jedoch auch, dass es Entlastungen für die heimischen Unternehmen brauchen wird, bis eine europäische Lösung gefunden wird. Bleibt die Situation unverändert oder spitzt sie sich weiter zu, drohen Produktionsdrosselungen und Arbeitslosigkeit“. Ein weiterer Punkt, der bisher verabsäumtwurde, ist der gemeinsame strategische Gaseinkauf in der EU.

„Damit können große Gas-Volumina über lange Zeiträumekontrahiert werden, die es ermöglichen, internationale Gasprojekte (wie die. Erschließungneuer Gasfelder oder den Bauvon LNG Terminals) zu realisieren und damitbestehende Mängel an den Gasmärktenzu überwinden“, so Knill abschließend.