Totgesagte leben länger oder: Wie geht es weiter mit der Globalisierung?

Der Welthandel steht so stark wie schon lange nicht mehr auf dem Prüfstand. Dabei wären Handelserleichterungendie Lösung für zentrale ökonomische Herausforderungen.

In den vergangenen Jahren gab es auf ihn bereits zahlreiche Nachrufe. Die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, verhängte Strafzölle zwischen USA, China und EU, der Ausbruch der Corona-Pandemieoder die russische Invasion der Ukraine ha-ben dem Welthandel massiv zugesetzt. Für manche Wirtschaftsforscher ist die Globali-sierung durch die Pandemie ins Stolpern ge-raten, andere prognostizieren nun ihr Ende nach 30 glorreichen Jahren. Erleben wir den Start einer Ära des Protektionismus? 

Zukunft liegt in internationaler Zusammenarbeit

Für die Experten der Industriellenvereini-gung kann von einer beginnenden De-Globalisierung keine Rede sein. „Anfang des Jahres lag der Welthandel wieder auf Prä-Covid-Niveau. Auch wenn der Krieg in der Ukraine die Abhängigkeit Europas von Russlands Energie und Rohstoffen zeigt und ein Schock in jeder Hinsicht ist, müssen schlussendlich Energie und Rohstoffe vor allem international substituiert werden. Klar ist zudem, dass viele Länder, allen voran China und Indien, die Chancen globaler Märkte weiter nutzen werden. Trotz aller Herausforderungen wird daher die Zukunft der österreichischen Indus-trie in internationaler Zusammenarbeit liegen“, erklärt Michael Löwy, der in der IV den Bereich Internationale Beziehun-gen und Märkte leitet. Gerade für eine Exportnation wie Österreich gibt es keine Alternative zum Welthandel. 56 Prozent unseres Wohlstands erwirtschaften wir mit Ausfuhren, jeder zweite Arbeitsplatz hängt am Export. 


Dass die Menschen vom wirtschaftlichen Zusammenwachsen der Welt profitieren, belegen Berechnungen der Vereinten Nationen. So hat die Globalisierung eine In-tensivierung und Liberalisierung der weltweiten Handelsströme bewirkt, was zu einer massiven Reduktion der weltweiten Armut geführt hat. Schätzungen belegen, dass der Anteil der Menschen, die in extremer Armut leben, zwischen 1990 und 2015 weltweit von 36 auf 12 Prozent gesunken ist. Fairer internationaler Handel erhöht zudem die Produktauswahl und senkt Preise, wodurch die Kaufkraft der Konsumenten gestärkt wird.


Bereits eine weitere moderate Liberali-sierung des Außenhandels könnte gegen die steigende Inflation wirken und private Haushalte entlasten. Zu diesem Schluss kommt eine jüngst im deutschen Wirt-schaftsmagazin „WirtschaftsWoche“ vorgestellte Studie der US-Denkfabrik Peterson Institute of International Politics. Demnach würde der preisdämpfende Effekt des Freihandels oftmals unterschätzt. Auch in Europa schieben Zölle und andere Handels-hemmnisse die Verbraucherpreise an. 


Statt den Inflationstreiber Protektionis-mus zu fördern, plädiert die IV dafür, europäischen Unternehmen den Zugang zu internationalen Märkten zu erleichtern und Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, an die sich alle halten. Löwy: „Gut gemachte Handelsabkommen, die Märkte öffnen und Handelshemmnisse abbauen, gewinnen gerade in Zeiten der Krise an Bedeutung für nachhaltiges Wachstum und Arbeitsplätze. Ein Transatlantikabkommen mit den USA oder die Umsetzung des bereits verhandelten EU-Mercosur-Vertrages wären ebenso wichtig wie eine Modernisierung der Welthandelsorganisation WTO als Hüterin verbindlicher Regeln bei ihrer kommenden Juni-Konfe-renz, damit die Vorteile der Globalisierung und des Welthandels verfestigt und ausgebaut werden.“