Interview mit IV-Chefökonom Christian Helmenstein

„Jetzt droht eine Krise in Teilen der Industrie“ - IV-Chefökonom Christian Helmenstein über die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Kriegs.

Wie stark wird das Wachstum durch den Krieg sinken?

Im März haben wir unsere bisherige Wachstumsprognose wegen des Kriegs in der Ukraine um einen Prozentpunkt auf 3,25 Prozent gesenkt: Einer der beiden hauptsächlich dämpfenden Faktoren sind die fehlenden Exporte nach Russland und in die Ukraine. Das macht ungefähr die Hälfte des Effektes aus. Die andere Hälfte des Effektes kommt durch die höhere In- flation zustande. Wenn es zu einem Stopp der Energieexporte aus Russland nach Westeuropa käme, würde das gesamt- wirtschaftliche Wachstum gegen null sin- ken, wir gerieten in eine Stagflation.

Was ist der Unterschied zur Corona-Krise?

Im Gegensatz zu COVID-19 erleben wir jetzt eine Krise von Teilen der Industrie. In den vergangenen beiden Jahren waren es die Unternehmen aus dem produzierenden Bereich und den industrienahen Dienstleistern, die als Wachstumslokomotive fungiert und damit auch den Arbeitsmarkt weitgegehend stabilisiert haben.

Wie muss die Politik auf die Krise reagieren?

Seit der Insolvenz von Lehman Brothers im Jahre 2008 haben wir die große Zeit der Geldpolitik erlebt. Durch eine ultra-expansive Geldpolitik wurde der Versuch unternommen, einerseits Zeit für die Strukturpolitik zu kaufen und andererseits die Tragfähigkeit der hohen Staatsverschuldung zu ermöglichen. Das Jahr 2022 markiert eine Zeitenwende: Das Arsenal einer stimulierend wirkdenen Geldpolitik ist nich tnur erschöpft, sondern schon seit geraumer Zeit überstrapaziert. Es bedarf einer längst fälligen Kurskorrektur in der Geldpolitik, um der Erosion des Geldwertes entgegenzuwirken. Zugleich beginnt jetzt eine Ära der Fiskalpolitik. Dabei ist der Fiskus aufgerufen, durch einen richtig angelegten Entlastungskurs seinerseits zu Preisstabilität beizutragen. Handlungsbedarf gibt es hier insbesondere bei den Kosten für den Faktor Arbeit: Von Entlastungen bei den Arbeitszusatzkosten würden Beschäftigte wie Unternehmen profitieren. 

Dr. Christian Helmenstein, IV-Chefökonom
Foto: Kurt Prinz

Christian Helmenstein ist Chefökonom der Industriellenvereinigung und Geschäftsführer des Wirtschaftsforschungsinstitutes Economica