Rahmen für Vermögensaufbau muss verbessert werden

Christoph Boschan ist CEO der Wiener Börse und analysiert im Interview die Ergebnisse des Aktienbarometers 2024.

Das Interesse an Wertpapieren und Anleihen nimmt in Österreich deutlich zu. Das aktuelle Aktienbarometer hat ergeben, dass 27 Prozent der Österreicher Wertpapiere besitzen – im Jahr davor waren es noch 25 Prozent. Wie bewerten Sie das?
Christoph Boschan: Das zeigt, dass die Wertpapierveranlagung längst kein gesellschaftliches Randphänomen mehr ist und die Menschen ihre Altersvorsorge verstärkt in die eigene Hand nehmen. Positiv hinzu kommt, dass das Potenzial noch nicht ausgeschöpft ist: 21 Prozent der Personen, die aktuell noch keine Wertpapiere besitzen, haben Interesse daran, in solche zu investieren.

Wie kann die Kapitalmarktoffensive Wertpapierbesitz sowie digitale und ökologische Transformation fördern?
Die Rahmenbedingungen für den privaten Vermögensaufbau müssen verbessert werden. Ausgangspunkt ist eine fundierte, der breiten Bevölkerung zugängliche Finanzbildung. Mangelndes Finanzwissen ist für viele Menschen der Hauptgrund, warum sie auf ein Wertpapier-Investment verzichten. Eine Verankerung in den Lehrplänen ist daher immens wichtig. Ein weiterer wichtiger Hebel liegt auf steuerlicher Ebene, Stichwort Kapitalertragsteuer. Die Österreicherinnen und Österreicher investieren ihr bereits versteuertes Arbeitseinkommen in Unternehmen, die für ihre Gewinne Körperschaftsteuer abführen. Auf diese körperschaftbesteuerten Gewinne fällt dann bei der Dividendenausschüttung oder der Realisierung von Kursgewinnen nochmals eine Kapitalertragsteuer von 27,5 Prozent an. Das ist eine massive Steuereskalation und Benachteiligung der privaten Vorsorge. Die Wiedereinführung einer Behaltefrist für Wertpapiere, wie sie auch im Regierungsprogramm steht, ist also längst überfällig. Für eine erfolgreiche digitale und ökologische Transformation brauchen wir privates Kapital, der Staat allein wird das nicht finanzieren können. Staaten mit gut entwickelten Kapitalmärkten werden schneller, nachhaltiger und mit höheren Wachstumsraten in eine CO2-neutrale Zukunft transformieren.

Wie können mehr österreichische Unternehmen an die Börse gebracht werden?
Auch hier spielen die Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle, die gesamtwirtschaftlichen wie die politischen. Es muss dringend eine Entbürokratisierung stattfinden. Sowohl auf nationaler wie auch auf europäischer Ebene fehlen eine strategische Vision und quantifizierbare Ziele für den Kapitalmarkt. Gleichzeitig verlieren wir zunehmend an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den globalen Mitbewerbern, insbesondere den USA. Um die Kapitalmärkte der Mitgliedstaaten zu stärken – und damit Börsengänge in Europa zu fördern –, müssen die Liquiditätspools substanziell vergrößert werden. Damit das gelingt, braucht es eine Abstimmung der Pensionssysteme auf den Kapitalmarkt.