Seiner Zeit voraus oder bereits überholt? Das Gesetz über künstliche Intelligenz

Bereits seit drei Jahren feilt die EU an Regeln für künstliche Intelligenz. Was erwartet Unternehmen, wenn das KI-Gesetz – voraussichtlich im Herbst – in Kraft tritt?

Kaum ein Gesetz zur Regelung des digitalen Raums hat in letzter Zeit so viel Aufmerksamkeit erhalten wie das EU-Gesetz über künstliche Intelligenz (KI- Gesetz). Als es im April 2021 von der Europäischen Kommission vorgestellt wurde, hatte es den Anspruch, das erste Gesetz seiner Art weltweit zu sein, aber die Mühlen in Brüssel mahlen langsam, und so wird die finale Abstimmung im Europäischen Parlament den dreijährigen Jahrestag der Veröffentlichung markieren. Diese Abstimmung ist jedoch nur noch Formsache, haben sich die Gesetzgeber auf europäischer Ebene doch bereits im Februar 2024 auf einen Text geeinigt. 

Was erwartet uns also, wenn das Gesetz – voraussichtlich im Herbst 2024 – in Kraft tritt? KI-Systeme, die als hochriskant eingestuft werden (erhebliches Schadens- potenzial für Gesundheit, Sicherheit, Grundrechte, Umwelt, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit), werden Prüfungs-, Transparenz- und Auskunftsverpflichtungen auferlegt. Außerdem wird es das Recht, Beschwerden gegen KI-Systeme einzureichen und eine Erklärung für deren Entscheidungen zu verlangen, geben. 

Besonders umstritten war die Regelung von KI für allgemeine Anwendun- gen (GPAI) und deren grundlegende Modelle. Diese unterliegen nun unter anderem Verpflichtungen zur Erstellung einer technischen Dokumentation sowie einer detaillierten Zusammenfassung über die für die Ausbildung verwendeten Inhalte. Diese Andersbehandlung von GPAI führt dazu, dass der ursprünglich auf der Idee einer „Risikopyramide“ aufgebaute Rechtsakt nun einen zweigleisigen, mehrstufigen Regulierungsansatz geschaffen hat. KI-Systeme mit unzumutbarem Risiko – wie etwa Social Scoring oder biometrische Kategorisierungssysteme, die sensible Merkmale verwenden (z.B. politische, religiöse, philosophische Überzeugungen etc.) – werden generell verboten. 

Letztlich leidet das KI-Gesetz jedoch da- runter, dass es viele Dinge nur halbherzig angeht und trotzdem weit über die ursprünglichen Intentionen der Kommission hinausgeht. Es ist somit wohl kaum geeignet, die Wettbewerbsfähigkeit Europas im Bereich der künstlichen Intelligenz nachhaltig zu stärken, aber es verhindert wenigstens eine Fragmentierung des Binnenmarkts mit einem „Fleckerlteppich“ nationaler KI-Gesetze. Die Gesetzgebung zur künstlichen Intelligenz nimmt damit aber erst ihren Anfang: Bereits jetzt gibt es Ambitionen zu weiteren, spezialisierteren Rechtsakten, und auch das KI-Gesetz selbst beinhaltet die Grundlage für knapp 30 Sekundärrechtsakte und Leitfäden. Es heißt für betroffene Unternehmen also weiterhin, ein Auge auf Brüssel und bevorstehende Regelungen zu haben.