Mann tippt auf Bildschirm

Digitaler Kraftakt

Künstliche Intelligenz, Daten und Infrastruktur –was braucht es jetzt, damit Österreich zu den„Innovation Leaders“ aufschließen kann?

Kaum ein Thema polarisiert derzeit so sehr wie KI-Tools. Chat GPT und Co haben intelligente Algorithmen in Blitzgeschwindigkeit in den Alltag gebracht, in Klassenzimmer, in Kommunikationsabteilungen, an Unis; in einer Geschwindigkeit, die selbst bekannten Branchenvertretern aus Hightech-Hochburgen in den USA unheimlich wurde: Man möge die Entwicklung von KI-Tools pausieren, bis Regeln für die Nutzung aufgestellt sind, hieß es in einem viel beachteten offenen Brief, dem sich im März unter anderem auch Tesla-Chef Elon Musk anschloss.

Dieser Ruf steht sinnbildlich für eine Branche, in der sich die Ereignisse überschlagen und die Regulierung kaum nachkommt. Doch gerade an den aktuellen Debatten um künstliche Intelligenz sieht man, wie dringend es den klugen und ausgewogenen regulatorischen Rahmen braucht, damit Investitionen von vornherein in die richtigen Bereiche fließen. Beim europäischen „AI Act“ gibt es inzwischen eine vorläufige politische Einigung über die Inhalte, ein Abschluss des Rechtsetzungsprozesses ist im Herbst zu erwarten. Bis der AI Act jedoch tatsächlich zur Anwendung kommt, wird es noch einige Zeit dauern. Indes hat die zuständige Behörde in China angekündigt, dass Inhalte, die von KI erstellt werden, den ideologischen Grundwerten des Landes entsprechen müssen. Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky mahnt die EU zu einem höheren Tempo in Sachen AI Act, damit Europa nicht auf chinesische KI-Systeme angewiesen ist.

Die österreichische Bundesregierung hat bereits im Jahr 2021 ihre KI-Strategie präsentiert, mit der Österreich als Forschungs- und Innovationsstandort für KI positioniert werden soll. Diese soll nun überarbeitet und an aktuelle Herausforderungen, die mit der technologischen Entwicklung einhergehen, angepasst werden.

Auf europäischer Ebene etwas weiter fortgeschritten ist der Prozess bereits beim „Data Act“ der EU, der die europäische Datenökonomie neu regelt und eine Vereinfachung beim Datenaustausch bringen soll. Laut EU-Kommission bleiben rund 80 Prozent der Industriedaten in Europa ungenutzt – mit dem Data Act soll sich das ändern und in den nächsten fünf Jahren ein BIP-Wachstum in der EU um 270 Milliarden Euro ausgelöst werden.

Österreich und Europa sind als IT-Standorte grundsätzlich nicht schlecht aufgestellt, aber man muss an einigen Stellschrauben drehen, um die digitale Transformation voranzutreiben. Im Infrastrukturbereich haben wir einen großen Nachholbedarf. Dazu gehört für mich auch eine verbesserte Resilienz, wofür robuste Cloud Data Centers in Europa notwendig sind – denn zur globalen Wettbewerbsfähigkeit brauchen wir Datensouveränität und einen höheren Grad an digitaler Selbstversorgung. Daran müssen wir weiter hart arbeiten.

Nachholbedarf in Österreich

Durch die intelligente Nutzung von Daten und durch künstliche Intelligenz ergeben sich weitreichende Potenziale in der Industrie und durch neue Geschäftsmodelle – auch in Österreich. In einigen Nischen haben sich hierzulande bereits erfolgreiche Hidden Champions gebildet. Dennoch gibt es in Österreich noch Luft nach oben, darin waren sich auch die IT-Industrie-Vertreter einig, die die IV zu einem Round Table ins Haus der Industrie einlud. Nur neun Prozent der heimischen Unternehmen nutzen Big Data und damit die Grundlage für viele intelligente Anwendungen im Bereich Automatisierung, Produktionssteuerung oder Robotik. „Wir liegen damit in Europa im hinteren Mittelfeld. Bei Spitzenreitern wie Malta, den Niederlanden oder Dänemark ist der Wert bis zu dreimal so hoch“, sagt Isabella Meran-Waldstein, IV-Bereichsleiterin für Forschung, Technologie und Innovation. Simulationsrechnungen gehen davon aus, dass der mangelnde Einsatz von KI Österreich bis 2035 ein jährliches BIP-Wachstum von 1,6 Prozent kostet. Auch beim Einsatz von Cloud- Lösungen gibt es Nachholbedarf: Aktuell dürften nur rund 40 Prozent der österreichischen Unternehmen auf kostenpflichtige Cloud-Dienste setzen, obwohl Schätzungen zufolge durch die Nutzung Kosteneinsparungen von bis zu 40 Prozent möglich seien.

„Die Innovationsskepsis hat aber auch Auswirkungen auf die Attraktivität Österreichs für Top-Fachkräfte in diesem Bereich. Österreich verliert seine KI- und Data-Science-Expertise und wird so abhängig von anderen Standorten“, so Meran-Waldstein. Darüber hinaus kann der Bedarf an Fachkräften längst nicht mehr im Inland gedeckt werden. Um für Top-Talente aus dem Ausland attraktiv zu sein, müsse es aber langfristig gelingen, Österreich zu einem Vorreiter der Digitalisierung weiterzuentwickeln. Österreich rangiert beim Stand der Digitalisierung gemessen am Index für digitale Wirtschaft und Gesellschaft 2022 (DESI) auf dem zehnten Platz unter den 27 EU-Staaten – in den vergangenen Jahren gab es zwar eine leichte Verbesserung, jedoch gelang es Österreich bisher nicht, aus dem Mittelfeld zum Spitzenfeld aufzuschließen. Neben der Nutzung von Big Data und Cloud-Diensten liegt das auch am Breitbandausbau: Während Österreich bei mobilem Internet gut aufgestellt ist, genügt die Abdeckung mit Glasfaserleitungen für das feste Gigabit- Netz noch nicht.

Daten sind das Öl der Zukunft, doch in ganz Europa werden derzeit nur etwa 15 Prozent der bestehenden Daten genutzt. Wir müssen den Datenschatz Österreichs besser einsetzen und brauchen daher neue Antworten für das Spannungsfeld zwischen Datensouveränität, Datenschutz und Datennutzung. Dazu werden etwa in jedem Bundesland Digital Innovation Hubs eingerichtet, die Synergieeffekte zum Beispiel durch die gemeinsame Nutzung von Daten in bestehenden Clustern sowie Netzwerke stärken. Hier sollen branchenspezifische Strategien entwickelt und umgesetzt werden. Auf europäischer Ebene arbeiten wir intensiv an Gaia-X, einem Projekt zum Aufbau einer leistungs- und wettbewerbsfähigen, sicheren und vertrauenswürdigen Dateninfrastruktur für Europa.

Digitale Bildungsnation

Ein Punkt, in dem Österreich beim „DESI“ gut abschneidet, ist das Humankapital – beim Anteil an IKT-Fachkräften liegt das Land sogar über dem EU-Schnitt. Gleichzeitig haben aber immer mehr Unternehmen Probleme, spezielle IKT-Stellen zu besetzen. Laut einer neuen Studie des Industriewissenschaftlichen Instituts (IWI) fehlen derzeit quer über alle Branchen rund 28.000 IT-Expertinnen und Experten, allein 12.000 im IT-Sektor. Damit rangiert Österreich – hinter Tschechien – auf dem unrühmlichen zweiten Platz in Europa, was den IT-Fachkräftemangel angeht. „Österreich hat also gleich mehrere Gründe, zu einer digitalen Bildungsnation zu werden. Einerseits braucht es solide Anwenderkenntnisse, um bei der digitalen Wende gesellschaftlich nicht auf der Strecke zu bleiben; andererseits müssen wir unser Bildungssystem in diesem Punkt aber auch besser auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts ausrichten“, sagt Meran-Waldstein. Mit einer MINT-Offensive im Schulsystem zur Förderung junger Talente und einer öffentlichen Förderung betrieblicher Weiterbildungsmaßnahmen solle hier möglichst breit angesetzt werden.

Eine der großen Stärken österreichischer Unternehmen liegt im Bereich Forschung und Entwicklung. Die Forschungsausgaben werden 2023 laut Statistik Austria gemäß einer ersten Einschätzung rund 15,5 Mrd. Euro betragen – um etwa acht Prozent mehr als im Vorjahr. Mit einer Forschungsquote von mehr als 3,2 Prozent liegt Österreich traditionell über dem EU-Schnitt und damit in den EU-Top-Drei. Dennoch liegt Österreich beim European Innovation Scoreboard lediglich auf Platz acht. Die Forschungsförderung ist in Österreich gut ausgebaut, sollte aber stärker auf für die Industrie relevante Themenbereiche wie KI und Digitalisierung ausgerichtet werden. Besonderes Augenmerk sollte zudem am oberen Ende der Skala der Technology-Readiness-Levels liegen, um Forschungsergebnisse noch besser auf den Markt überleiten zu können. „Geförderte Projekte müssen unbürokratischer abgewickelt werden können und wir brauchen einen besseren Wissensund Technologietransfer zwischen Hochschulen und Forschungseinrichtungen auf der einen Seite und Leitbetrieben oder Startups auf der anderen Seite. Nur so können Forschungsergebnisse zu echten Innovationstreibern werden“, so Meran-Waldstein.

Daten bergen enormes Potenzial – dennoch bleiben diese oftmals noch ungenutzt. Entwicklungen bei KI oder Cybersecurity führen zu rasanten Veränderungen; wichtig ist dabei ein stärkeres Bewusstsein für das Hier und Jetzt: Wertschöpfungsketten ändern sich mit einer hohen Geschwindigkeit. Wenn man sich als Unternehmen nicht damit beschäftigt, wird man aus Wertschöpfungsketten gedrängt. Entscheidend sind Speed und „Think Big“ sowie klare Ziele des Staates.



Forderungen für einen starken IT-Standort

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Digitale Kompetenzen im Bildungssystem

MINT-Offensive und moderne schulische Infrastruktur; digitales Upskilling in Unternehmen

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Attraktivierung des Arbeitsmarkts

Die Fachkräftelücke kann nicht nur im Inland gedeckt werden; aktive Standort-Positionierung für internationale Fachkräfte

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Forschungsförderung und -kooperationen

F&E-Förderungen sollten auf Schlüsseltechnologien, KI, Datentechnologien und Cybersecurity ausgerichtet
werden; Bürokratie bei Forschungsprojekten reduzieren; Technologietransfer und Spin-offs stärken

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IT-Infrastruktur

flächendeckender Ausbau des Breitband-Internetzugangs

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Datenwirtschaft

Einsatz von KI, Daten und digitalen Technologien in der irtschaft fördern; Cloud-Lösungen nach internationalen Standards forcieren; (inter)nationale Daten-Initiativen wie Gaia-X vorantreiben, Symbiose zwischen T-Industrie und „klassischer“ Industrie als Hebel für Wertschöpfungspotenziale

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EU-Initiativen

Regulierung auf EU-Ebene als wichtige Maßnahme für ein „Level Playing Field“ im internationalen Wettbewerb

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Steuerpolitik

Attraktivierung des Wirtschaftsstandorts durch eine wettbewerbsfähige Steuerpolitik