Weltkarte zeigt Handelsverbindungen

Die nächste Raketenstufe der Internationalisierung

Österreich ist eine Exportnation. Der Erfolg am Weltmarkt ist die Grundlage für die Erfolgsgeschichte der heimischen Industrie. Die Erschließung neuer Weltregionen als Absatzmärkte kann den nächsten Wachstumsschub bringen.  

Während sich in Österreich und Europa die Wirtschaftslage eintrübt, gibt es in anderen Weltregionen hohe Wachstumsraten. “Eigentlich ist alles angerichtet für einen Konjunkturaufschwung.  Die Ära multipler Krisen liegt weitgehend hinter uns”, sagt der Chefökonom der Industriellenvereinigung, Christian Helmenstein. Die Pandemie ist weitgehend bewältigt und auch bei den Lieferkettenproblemen und hohen Energiepreisen zeichnet sich Entspannung ab. In 60 Ökonomien weltweit hat der Konjunkturaufschwung laut Helmenstein bereits eingesetzt – sie alle qualifizieren sich als Tigerstaaten, da sie ein reales Wirtschaftswachstum gemessen am Bruttoinlandsprodukt von mehr als vier Prozent aufweisen. Allerdings: Darunter befindet sich, mit Ausnahme Irlands, kein einziges fortgeschrittenes Industrieland – weder im Norden Amerikas noch in Europa. “Der Aufschwung findet statt, aber nicht bei uns”, stellt Helmenstein fest. Um das zu ändern, müssen sich Europa und Österreich strukturellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt und bei den Energiepreisen stellen und die Chancen der grünen Transformation schlau nutzen. Für den nächsten kräftigen Wachstumsschub braucht Österreich aber noch eine ganz wesentliche Zutat: den Rest der Welt. Österreich ist mit einem Exportanteil von 60,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einer der großen Profiteure der Internationalisierung. Jeder vierte Steuereuro wird hierzulande im Export erwirtschaftet.

60,8 Prozent Exportanteil am Bruttoinlandsprodukt Österreichs

Dementsprechend sieht der Ökonom großes Potenzial in neuen Freihandelsabkommen und der Stärkung vorhandener Partnerschaften. Derzeit konzentriert sich der Export Österreichs vor allem auf Europa, die USA und in überschaubarem Maß China. “Unsere wichtigsten Exportmärkte liegen aus österreichischer Sicht in Europa und dort vor allem im Süden Deutschlands. Wir liefern Leichtbauprodukte in Serie an die Automobil-Industrie sowie die Bahn”, sagt Karin Exner-Wöhrer, CEO der Salzburg Aluminium Group, die einen Exportanteil von 90 Prozent aufweist. Großes Potenzial sieht sie in Nordamerika – ihre Technologien für die Infrastruktur im Bereich Wasserstoffantriebe seien aber auch für den asiatischen Markt interessant. “Die USA waren für Österreich die erste Stufe der Fernmarkterschließung und jetzt ist es Zeit, die nächste Raketenstufe zu zünden”, so Helmenstein. In Asien sieht er große Potenziale in Ländern wie Indien, Thailand, Vietnam, Singapur oder Indonesien. In Südamerika steht die EU knapp vor dem Abschluss einer Partnerschaft mit der Mercosur-Region. Ein Abkommen könnte im Laufe von zwölf Jahren zu einer Steigerung europäischer Exporte in die Mercosur-Länder Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay um bis zu 68 Prozent führen. Der bisherige EU-Handel mit der Mercosur-Region sichert in Österreich 32.000 Arbeitsplätze. Insgesamt sind dort 1400 heimische und 60.500 EU-Unternehmen sind aktiv. Beim Export in den Mercosur-Raum gelten derzeit hohe Zölle auf Industriegüter. Österreich könnte beispielsweise bei der geplanten Reindustrialisierung Brasiliens mit umweltfreundlichen Technologien punkten.

32.000 Arbeitsplätze sichert der EU-Handel mit der Mercosur-Region in Österreich
Foto: Katharina Schiffl

„Die Stärken unserer Produkte am Weltmarkt liegen in ihrer Qualität, Präzision und Nachhaltigkeit.  Aluminium ist leicht und gleichzeitig ein vielfältiges Material, das in vielen Branchen Anwendungen findet. Österreich bietet eine gute Infrastruktur, hochqualifizierte Arbeitskräfte und die Gemeinde Lend insbesondere hat eine lange Tradition in der Aluminiumverarbeitung”, sagt Exner-Wöhrer. Das schlechte Zeugnis, das das Schweizer IMDInstitut Österreichs Wettbewerbsfähigkeit zuletzt ausgestellt hatte – Österreich ist um vier Plätze abgerutscht und liegt nun auf Platz 24 von 64 Ländern – macht aber auch der Unternehmerin Sorgen.  “Wir spüren die Auswirkungen des Rückgangs in der Wettbewerbsfähigkeit Österreichs sehr stark.  Vor allem die starken Gehaltssteigerungen des letzten Jahres haben im Vergleich zu Italien und Spanien die Schere sehr weit aufgemacht.

Unsere Wettbewerbsfähigkeit in der Fertigung ist durch Effizienzsteigerungen und Automatisierung nicht aufrechtzuerhalten. Ein ähnlicher Abschluss 2023 würde die Zukunft des Industriestandortes Österreich grundlegend erschüttern”, so Exner-Wöhrer.  Sie appelliert an die Politik, sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes im Vergleich mit anderen Ländern in Europa zum Maßstab zu machen.