Interview „Mitarbeiter:innen in Österreich sind in jeglicher Hinsicht hervorragend"

Peter Mitterbauer war von 1986 bis 2013 Vorstandsvorsitzender  der von seinem Vater gegründeten Miba, die  seither von seinem Sohn geleitet wird. Im Interview spricht  der ehemalige Präsident der Industriellenvereinigung über  Österreich als Exportnation, internationalen Wettbewerb  und die Wirtschaftserziehung von Kindern.  

1996, also unmittelbar  nach dem Beitritt Österreichs zur  EU, Präsident der Industriellenvereinigung.  Für Österreich als Exportnation  war die EU ein Gamechanger  – wie haben Sie die Stimmung  damals erlebt? 

Eine mögliche  Union mit anderen europäischen  Ländern hatte bereits in den 1970ern  heftige Debatten ausgelöst. Auch in  der Industrie gab es eine Gruppe,  die damals bereits gegen den Beitritt  zur EWG (Europäische Wirtschaftsgemeinschaft,  Anm.) war und einen  solchen als zu enge Verbindung mit  Deutschland betrachtet hat. Und in  der Gewerkschaft gab es eine Furcht  vor billigen Arbeitskräften aus dem  Ausland. Bekanntermaßen blieb es  für Österreich zunächst beim europäischen  Freihandelsabkommen EFTA.  Die Industriellenvereinigung – und  hier die Junge Industrie unter Christoph  Leitl – hat sich aber weiterhin  sehr für einen Beitritt zur EU eingesetzt.  Politisch gesehen war es ein  Husarenritt, weil es gerade auf der  sozialdemokratischen Seite starke  Gegenbewegungen gegeben hat. Der  damalige Bundeskanzler Vranitzky  hat sich hier voll in die Schlacht geworfen  und einen maßgeblichen Beitrag  geliefert, dass die EU bei den Sozialdemokraten  hoffähig geworden ist  und akzeptiert wurde. Der Beitritt zur  EU war für die exportierende Industrie  ein ganz großer Schritt vorwärts.  Ein noch größerer Gamechanger war  aber der Fall des Eisernen Vorhangs.  Die Öffnung der umliegenden Länder  hat viele neue Investitionsmöglichkeiten  gebracht, die Österreich sehr gut  zu nutzen gewusst hat. Zu Beginn war  Österreich in einigen dieser Länder  der aktivste und größte Investor. 

In den vergangenen Jahren gab  es immer wieder Kritik an der  Globalisierung und heute sieht  man, dass viele Österreicher Freihandelsabkommen  ablehnend  gegenüberstehen. 

Dass Österreich so skeptisch ist, wenn  es um Handelsverträge wie CETA mit  Kanada oder Mercosur mit Südamerika  geht, hat ganz stark mit massiven  Einzelinteressen zu tun. Da ist es sehr  schwer, mit rationalen Argumenten  durchzukommen. Wenn Sie sich Mercosur  anschauen – diese unheilige Allianz  zwischen Bauern, einer großen  Handelskette und der Kronenzeitung  ist sehr schwer zu überwinden. Es ist  ja paradox, dass wir hier nicht einen  vollen Durchbruch erreichen und  dass sich die Politik nicht traut, diesen  für die österreichische Wirtschaft  so wichtigen Schritt zu machen. Die  Bauern haben Angst vor 90.000 Tonnen  Rindfleisch aus Südamerika, dabei  entspricht das gerade einmal 1,2 Prozent  der EU-Rindfleischproduktion. 

Erwarten sie sich manchmal von  der Politik mutigere Entscheidungen  entlang rationaler Argumente? 

Ja, wissen Sie, ich bin jetzt über 80  und abgeklärt. Natürlich wünscht  man sich viel und es hat auch Zeiten  gegeben, wo die politischen Konstellationen  ein solches Handeln ermöglicht  haben. 

Wie geht es dem Industriestandort  Europa und Österreich derzeit aus  Ihrer Sicht? Teilen Sie die Sorge  vor einer De-Industrialisierung,  also einer Verlagerung der Produktionen  und Investments in andere  Weltregionen? 

Sehen wir uns die einzelnen Regionen  an. China spielt bei den Direktinvestitionen  aus österreichischer Sicht  keine große Rolle mehr – da sind wir  derzeit auf dem Niveau der 1980er-  Jahre. Bei Indien sind die Hoffnungen  viel größer als die nachvollziehbaren  Realitäten. Wir haben zwei Werke in  Indien, ich kenne mich da also ein  bisschen aus und glaube nicht, dass  es große Verlagerungen industrieller  Produktion von Europa nach Indien  geben wird. Die USA sind durch  ihren Inflation Reduction Act natürlich  sehr attraktiv. Aber dort gibt es  zu wenig Arbeitskräfte und schon gar  keine gut ausgebildeten. Die Realität  für Österreich ist eher, dass sich  viel in Richtung Nachbarländer bewegt.  In der Slowakei kostet uns eine  Arbeitskraft nur halb so viel wie in  Österreich. Das ist ein gravierendes  Argument, zumal die Qualifikation der Arbeitskräfte in diesen Ländern  schon sehr gut ist. Da passiert eine  schleichende Verlagerung in dem  Sinne, dass neue Arbeitsplätze vielleicht  eher dort entstehen als bei uns. 

Umgekehrte Frage: Was macht  Österreich als Standort für Industrieproduktion  attraktiv? 

Die Menschen. Die Mitarbeiterinnen  und Mitarbeiter in Österreich sind in  jeglicher Hinsicht hervorragend. Sie  sind gut ausgebildet und motiviert.  Das ist sehr wichtig und die Industriellenvereinigung  hat immer große  Schwerpunkte auf Bildung und Forschung  gesetzt. 

Reden wir über Arbeit. Die Jungen  wollen Work-Life-Balance und sind  nicht mehr bereit, hart zu arbeiten,  sagt das Klischee. Haben wir ein  Problem oder haben wir es mit  einem ganz normalen Generationen-  Konflikt zu tun? 

Gute Frage. Ich bin aufgewachsen  in einer Zeit, in der wir am Samstag  noch gearbeitet haben. Wir haben  noch eine 48-Stunden-Woche gehabt,  dann wurde das schrittweise  reduziert. Ich glaube nicht, dass wir  bei der derzeitigen fixen Arbeitszeit  von 40 Wochenstunden bleiben werden.  Die Frage ist aber, wie wir uns  eine weitere entsprechende Reduktion  der Arbeit gesamtwirtschaftlich  leisten können. Ich stelle auch  nicht fest, dass die junge Generation  anders ist als meine Generation im  Vergleich zu der Generation davor:  andere Interessen, andere Vorstellungen,  andere Wünsche. Das ist  vollkommen klar. Natürlich sehen  wir auch an unseren Standorten in  Oberösterreich und in der Steiermark  junge Leute mit dem Wunsch  nach Homeoffice und Work-Life-  Balance. Vieles davon sind aber auch  Zeiterscheinungen. Ich bin da eher  optimistisch als pessimistisch. Die  32-Stunden-Woche ist nicht überall  so begehrt, wie man vielleicht den  Eindruck haben könnte. Ich spreche  viel mit unseren Mitarbeitern,  wenn ich unterwegs bin. Die sagen  mir dann: Wie soll das denn gehen,  wir haben eh zu wenige Leute. Viele  Mitarbeiter wollen mehr Überstunden  leisten und ein besseres Nettoeinkommen  haben. Auch die älteren  Leute wollen länger arbeiten, aber  nicht zu 50 Prozent für den Staat. 

Die Miba hat Ihr Vater gegründet  und mittlerweile haben Sie das Ruder  an Ihren Sohn übergeben. Was  bedeutet es, ein Unternehmen dieser  Größe in der Familie zu halten?  War es immer klar, dass Ihre Kinder  in das Unternehmen eintreten? 

Dass das Unternehmen in der Familie  bleibt, ist festgelegt. Wir waren  zwar an der Wiener Börse, sind seit  acht Jahren aber wieder zu hundert  Prozent in Familienhand. Die Frage  des Generationenübergangs ist  aber immer spannend und für Familienunternehmen  mitunter eine  sehr kritische. Natürlich gab es bei  uns immer den Wunsch, dass das  Unternehmen auch in der nächsten  Generation von jemandem aus der  Familie geführt wird. Bei uns hat  diese Entscheidung aber ein Aufsichtsrat  zu treffen gehabt, der nicht  von Familienmitgliedern besetzt ist.  Wir sind überzeugt davon, dass wir  gegenüber unseren Kunden und Mitarbeitern  weltweit eine viel zu große  Verantwortung haben und nicht das  Risiko eingehen könnten, das Unternehmen  von einem nicht dafür qualifizierten  Familienmitglied führen  zu lassen. Bei uns ist diese Übergabe  an die nächste Generation geglückt,  ob das auch in der nächsten Generation  so sein wird, wird wieder ein  unabhängiger Aufsichtsrat zu entscheiden  haben. Wie auch immer  diese Entscheidung ausgeht, wir  sind und bleiben auf jeden Fall ein  Familienunternehmen. Das daraus  resultierende Interesse ist vor allem  ein langfristiger Bestand und ein  kontinuierliches Wachstum. 

Haben Sie Ihren Kindern das bereits  mitgegeben, als sie noch klein waren?  Kann man Kinder zu künftigen  Unternehmern erziehen? 

Natürlich, am besten, indem man sie  von Anfang an mitnimmt. Meine Kinder  waren immer dabei: Mitarbeit in  den Ferien, bei Firmenfeiern, bei vielen  Dienstreisen oder Eröffnungen  von Standorten im Ausland. So war  das auch schon bei mir, als ich ein  Kind war. Dass Wirtschaftserziehung  in Familien am Küchentisch stattfindet,  kann ich bestätigen.  

Foto: IV

ZUR PERSON 

Peter Mitterbauer leitete das Familienunternehmen  Miba in der zweiten  Generation und war von 1996 bis 2004  Präsident der Industriellenvereinigung.  Das oberösterreichische Unternehmen  produziert Teile für die Motoren- und  Fahrzeugindustrie. In der IV setzte sich  Mitterbauer intensiv für den Beitritt  Österreichs zur Europäischen Union ein.