In der nahen Zukunft wird die österreichische Wirtschaft laut Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo um nur rund ein Prozent pro Jahr wachsen. Eine Chance, dieses Wachstum zu stützen, liegt in der grünen Transformation – allem voran im Wandel in der Industrie. Eine Studie von Cambridge Econometrics gemeinsam mit dem Wiener Kontext Institut zeigt, dass eine „zukunftsfähige Industriepolitik“ das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Basisszenario im Jahr 2030 um 0,6 Prozentpunkte heben könnte und im Jahr 2050 sogar um 3,3 Prozentpunkte. Die notwendigen Investitionen würden sich 2032 amortisieren, und bis Mitte des Jahrhunderts würden 44.000 zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Kumuliert bedeutet das ein Plus an Wirtschaftsleistung bis 2050 von 250 Mrd. Euro.
Von der Schlosserei zum Weltmarktführer
Österreich ist in einer sehr guten Ausgangslage, diese Chancen optimal zu nutzen. Eines der vielen Unternehmen, die mit der Energiewende bereits besonders stark wachsen, ist die oberösterreichische Miba. Miba ist ein Akronym, das sich aus dem Nachnamen der Unternehmerfamilie bildet: F. Peter Mitterbauer leitet das Unternehmen in der mittlerweile dritten Generation. Die Ursprünge des Unternehmens liegen in einer Schlosserei und Reparaturwerkstätte, bis man sich schließlich auf die Produktion von Gleitlagern, Sintermetall und Reibbelägen spezialisierte. Die Produkte kommen damals wie heute in der Automobilindustrie, aber auch in Flugzeugen, Bau- und Landmaschinen, Kraftwerken und Stromnetzen zum Einsatz. Kunden wandten sich an Miba, wenn der Fokus auf Energieeffizienz, weniger Treibstoffverbrauch und weniger Lärmemissionen lag. „Es ging bei der Miba also bereits um Energie und Nachhaltigkeit, als die Energiewende noch gar kein Thema war“, sagt F. Peter Mitterbauer, der 2013 den Vorstandsvorsitz mit der Mission „Technologies for a cleaner planet“ übernahm; eine Ausrichtung, die dem Unternehmen einen Wachstumsschub verlieh und die Umsätze in den folgenden zehn Jahren verdoppelte.
Wenn es um Komponenten oder Maschinen für riesige Windkraftanlagen in Meeren geht, ist Miba eine der ersten Adressen für Anlagenbauer. Um die Windtürme im Meeresboden verankern zu können, braucht es Rohrsegmente, die enormen Belastungen standhalten, und hier kommt das oberösterreichische Unternehmen ins Spiel, dessen Maschinen zur optimalen Verschweißung dieser Segmente beitragen. Allein dieser Bereich hat im letzten Jahr 50 Mio. Euro an neuem Umsatz gebracht. Miba-Technologie kommt aber auch in Bremsen, Getrieben und in der Elektronik der Windturbinen zum Einsatz. „So haben sich unsere Umsätze mit Kunden aus der Windenergie innerhalb von nur zwei Jahren verdreifacht“, sagt Mitterbauer. Und auch bei Gleitlagern für Wasserkraftwerke gehört das Unternehmen zu den drei größten Anbietern der Welt.
„Clean Industrial Deal“ der EU
Was umfasst eine „zukunftsfähige Industriepolitik“, die die Chancen der grünen Transformation bestmöglich ausnutzt? Die Forscher von Cambridge Econometrics sind für ihre Studie von einer ganzen Reihe an zusätzlichen Maßnahmen ausgegangen; darunter waren eine breitere CO₂-Bepreisung, aber auch Importquoten für Komponenten und Produkte aus Bereichen wie Photovoltaik, Windenergie, Wärmepumpen oder Elektrofahrzeuge. Die Studienautoren sind für ihre Prognosen von der Umsetzung des Net Zero Industry Acts der EU ausgegangen. Dabei geht es um einen ersten Schritt, den „Green Deal“ mit einer zukunftsorientierten Industriepolitik zusammenzuführen – ein Vorhaben, das die EU heuer mit einem „Clean Industrial Deal“ weiter ausbauen will. Der Net Zero Industry Act sieht vor, dass bis 2030 mindestens 40 Prozent des Bedarfs an Schlüsseltechnologien in der EU mit Fertigungen in Europa gedeckt werden können. Die dafür benötigten Investitionen zum Ausbau der Fertigungskapazitäten für saubere Technologien belaufen sich im Zeitraum 2023–2030 auf etwa 92 Mrd. Euro. Mit dem Ende Februar vorgestellten „Clean Industrial Deal“ sollen kurzfristig weitere 100 Mrd. Euro mobilisiert werden. Gleichzeitig werden nachhaltige Produkte bei öffentlichen Vergabeverfahren bevorzugt und für kritische Industrien wie Stahl oder die Automobilbranche eigene Pläne ausgearbeitet werden.
In Österreich war das Umfeld für Investitionen allerdings schon einmal besser, erklärt Mitterbauer: „Investitionen am Standort Österreich machen nur dann Sinn, wenn man hier auch nachhaltig Geld verdienen kann. Daher müssen wir unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit absichern, die in den vergangenen Jahren stark unter Druck gekommen ist.“ Sorgen macht dem Unternehmer die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die auch bei innovativen Produkten am Weltmarkt eine Rolle spielt. Es geht aber auch um Bürokratie und Regulierungswut: „Gerade bei der Energiewende und beim Klimaschutz müssen wir in Österreich und in ganz Europa verstehen, dass Verbote und Vorschriften keine gute Basis für Innovation sind. Wir sollten vielmehr auf Anreize setzen, so wie es die USA machen. Wir sollten uns von dort auch die Mentalität abschauen, einfach anzupacken und zu machen. Auch von Asien können wir lernen; mich beindrucken die Neugierde, der Erfolgshunger und der Zukunftsfokus der Menschen dort sehr.“
Innovations-Spitzenreiter
Miba gehört zu den innovativsten Unternehmen Österreichs. Gemessen wird das anhand der Anzahl angemeldeter Patente. 2023 hat die Unternehmensgruppe 48 neue Patente angemeldet und landet damit auf Platz drei in Österreich und Platz eins in Oberösterreich. Zuletzt wurden 43 Mio. Euro in Forschung und Entwicklung investiert – das entspricht einer F&E-Quote, also einem Anteil am Umsatz, von 3,5 Prozent.
Österreich gilt grundsätzlich als starker Forschungsstandort, was sich in einer Forschungsquote von 3,34 Prozent niederschlägt und das Land unter die Top 3 in der EU bringt. Laut Statistik Austria werden sich die Forschungsausgaben 2024 insgesamt auf rund 16,6 Mrd. Euro belaufen – das entspricht einer Steigerung von rund 1,06 Mrd. Euro gegenüber dem Vorjahr. Um die grüne Transformation und die Digitalisierung in den kommenden Jahren vorantreiben zu können, ist das laut Experten aber nicht ausreichend: Die Forschungsausgaben sollen bis 2030 auf vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen, um den Chancen und Herausforderungen der Zukunft gerecht zu werden, forderten zuletzt das Austrian Institute of Technology, die Österreichische Akademie der Wissenschaften und die Industriellenvereinigung in einem Schulterschluss. Derzeit kommt rund ein Drittel dieser Investitionen vom Staat, der seine Investments in Innovation für dieses Ziel in der nächsten Periode des FTI-Pakts (2027–2029) um 1,6 Mrd. Euro auf 6,8 Mrd. Euro steigern müsste.
Fachkräfte der Schlüsseltechnologien
Gleichzeitig müssen auch die vielen neuen Jobs besetzt werden, die durch die Transformation geschaffen werden. „Es braucht gut ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mit viel Pioniergeist und Innovationsgeist nach neuen technologischen Lösungen für unsere Kunden suchen. Daher ist es so wichtig, dass wir herausragende Ausbildungsangebote in der Technik und in der Naturwissenschaft haben“, sagt Mitterbauer. In den Schlüsseltechnologien, die die EU stärken will, gibt es in Österreich bis 2029 ein Beschäftigungspotenzial von 58.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen, die zu besetzen sind. Das geht aus einer Studie des Economica-Instituts hervor, in der für Schlüsseltechnologien relevante Berufe untersucht wurden. Diese verlangen spezialisiertes Wissen und Qualifikationen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT). Bereits in den vergangenen Jahren ist die Beschäftigung in diesen Bereichen mit 1,6 Prozent pro Jahr überdurchschnittlich gewachsen. Der Strukturwandel hin zu einer grüneren und digitalisierteren Wirtschaft und Industrie wird also einen zusätzlichen Personalbedarf auslösen, der die Fachkräftelücke aufgrund des demografischen Wandels vergrößert. Experten gehen davon aus, dass diese Lücke in den kommenden zehn Jahren auf rund eine halbe Million Menschen wächst. Das Ziel, die Absolventenzahlen in den für Schlüsseltechnologien wichtigen Fächern bis 2030 um ein Fünftel zu steigern (das sich die damalige Bundesregierung 2023 gesteckt hat), ist also aktueller denn je und sollte nicht aus dem Blick geraten.