In den vergangenen Jahren hat Österreich weit über seine Verhältnisse gelebt. Zum Teil musste zur Bewältigung zahlreicher Krisen tiefer in die Tasche gegriffen werden, aber nicht das gesamte Budgetloch lässt sich damit erklären. Die Förderquote ist enorm gestiegen und Gehälter im öffentlichen Dienst sowie Pensionen sind großzügiger erhöht worden, als es die Inflation erfordert hätte. Das Problem hat sich langsam aufgebaut und kam nicht unbedingt überraschend.
Dass Österreich 2024 die Fiskalregeln der Europäischen Union nicht mehr einhalten konnte, hat aber vor allem zwei Gründe: Einerseits wurden die Regeln wieder verschärft, nachdem sie für die Coronazeit gelockert wurden; andererseits wird die Neuverschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gemessen, und die hat sich im vergangenen Jahr wesentlich schlechter entwickelt als zunächst gedacht. Eine Rolle spielte auch die hohe Inflation, die dem Fiskus zunächst mehr Geld in die Kassen spülte – 2024 drehte sich dieser Effekt ins Gegenteil: Die Ausgaben stiegen vor allem für Pensionen und Gehälter der öffentlich Bediensteten inflationsbedingt stark an. Die Maßnahmen zur Abmilderung der „kalten Progression“ bei der Einkommensteuer und die Koppelung bestimmter Sozial- und Familienleistungen an den Verbraucherpreisindex trugen ebenfalls dazu bei. Zusätzlich belasten wirtschaftspolitische Maßnahmen der Vergangenheit und die schlechte wirtschaftliche Lage die öffentlichen Finanzen.
Österreich im Ausgabenrausch
Die Maastricht-Grenze für das Budgetdefizit liegt bei drei Prozent, in Österreich liegen die Schätzungen für vergangenes Jahr bei 3,9 Prozent laut der letzten Fiskalrats-Prognose; die EU-Kommission ging zuletzt von 3,7 Prozent aus. Tatsächlich könnte der Wert sogar noch etwas höher liegen, da die Wirtschaftsleistung 2024 sogar um 1,2 Prozent zurückgegangen ist – wesentlich stärker als erwartet; im Dezember 2023 war man noch von einem BIP-Wachstum für 2024 von 0,9 Prozent ausgegangen. Es folgte ein Jahr der konjunkturellen Schwäche und vergangenen Dezember lag die WIFO-Prognose bereits bei minus 0,9 Prozent. Gegen Mitte des vergangenen Jahres wurden erste Stimmen laut, die von einer zu hohen Neuverschuldungsquote ausgingen. Die Warnungen trafen mitten in den Wahlkampf und gingen unter – stattdessen wurden etwa der Klimabonus erhöht und die Beamtengehälter über der Inflation angepasst. Der Thinktank Agenda Austria attestierte Österreich gar einen „Ausgabenrausch“.
Eine „lächerliche“ Herkulesaufgabe
Die EU-Kommission schlägt dem Rat ein Defizitverfahren vor, wenn die Schuldenquote über 60 Prozent (Österreich 2023: 78,6 Prozent) liegt, das Defizit gemessen am BIP über drei Prozent steigt und kein überzeugender Plan vorgelegt wurde, wie diese Werte wieder unter die zulässigen Grenzen gebracht werden sollen. Mitte Dezember trudelte die Zahlenbasis aus Brüssel ein, auf die die Regierung warten wollte, um den Konsolidierungsbedarf für die nächsten Jahre zu berechnen – die Grundlage für einen Sparplan. Knapp ein Monat war zu diesem Zeitpunkt noch Zeit, um einen realistischen Plan zurückzumelden.
Wie viel gespart werden muss, um die Maastricht-Grenzen wieder einhalten zu können, hängt von der Länge des Konsolidierungspfads ab und davon, ob ein EU-Defizitverfahren eingeleitet wird oder nicht. Es gelang schließlich zu Jahresbeginn, dieses vorerst abzuwenden, und die damaligen Verhandler einer schwarz-blauen Regierung einigten sich auf einen Pfad über sieben Jahre, in denen insgesamt 18,1 Mrd. Euro zu sparen sind – 6,4 davon schon 2025. 6,4 Mrd. Euro muss die Regierung – nunmehr Schwarz-Rot-Pink – also für die erste, notwendigste „Wundversorgung“ des Staatshaushalts „finden“. „Das sind gerade einmal 2,2 Prozent der Staatsausgaben. Jedes Unternehmen würde ob dieser Größenordnung nur müde lächeln, aber die Politik macht daraus eine Herkulesaufgabe“, sagt Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn im Interview mit „iv-position“.
Der Plan mit seinen Tücken und Lücken
Für einen ausgeglichenen Haushalt müsste Österreich eigentlich zwanzig Mrd. Euro pro Jahr einsparen. Dabei scheinen schon die 6,4 Mrd. eine große Herausforderung gewesen zu sein. Die Sanierung musste vor allem ausgabenseitig erfolgen, da diese Art der Konsolidierung laut Experten nachhaltiger wirkt – einnahmenseitige Maßnahmen bergen die Gefahr, dass sie auch Ausgaben verursachen, die den gewünschten Effekt wieder dämpfen. Wirklich gelungen ist das schon bei diesem ersten Brocken des Konsolidierungspfads aber nicht. Der größte Teil wird auch beim geänderten Plan von ÖVP, SPÖ und Neos durch eine Reduktion der Förderungen eingespart werden – darunter fallen die Abschaffung des Klimabonus (-2 Mrd. Euro) und die Abschaffung der Bildungskarenz (-350 Mio. Euro). Stärker als ursprünglich geplant wird nun auch mit neuen Einnahmen saniert: Im Pensionssystem wird es nur eine kleine Anpassung geben – die Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten werden von 5,1 Prozent auf sechs Prozent angehoben (+300 Mio. Euro). Erst langfristig, also bis 2031, soll ein Älterenbeschäftigungspaket einen Beitrag von 2,9 Mrd. Euro leisten.
Geplant ist außerdem eine Erhöhung der Bankenabgabe (+350 Mio. Euro auf insgesamt 500 Mio. Euro in den Jahren 2025 und 2026), eine Verlängerung des eigentlich ausgelaufenen „Energiekrisen-Beitrags Strom“ (+200 Mio. Euro) sowie ein Lückenschluss bei der Grunderwerbssteuer, der vor allem auch Familienunternehmen bei der Übergabe ihrer Unternehmen an die nächste Generation treffen könnte (+200 Mio. Euro). Überrascht hat die neue Regierung auch mit dem Plan, die Abschaffung der kalten Progression teilweise zurückzunehmen – ein Prestigeprojekt des damaligen schwarzen Finanzministeriums und eine De-facto-Steuererhöhung. Zusätzlich sind weitere Maßnahmen im Steuersystem geplant – eine Abschaffung der Steuerbefreiung von PV-Anlagen bringt 170 Mio. Euro, Lückenschlüsse bei Tabak-, Digital- und Grundsteuer insgesamt 125 Mio. In den Ministerien sollen insgesamt 1,1 Mrd. Euro eingespart werden.
Mit einer Förderquote von 7,5 Prozent des BIP liegt Österreich deutlich über dem EU-Durchschnitt von 5,7 Prozent. Eine Reduktion auf den EU-Schnitt würde bei einem BIP von 473 Mrd. Euro ein Konsolidierungspotenzial von 8,5 Mrd. Euro schaffen. Agenda Austria schlägt unter anderem vor, nicht nur bei der arbeitenden Bevölkerung einen Beitrag einzufordern, sondern auch bei Pensionisten. Der Thinktank würde abschlagsfreie Frühpensionierungen abschaffen und die Wartefrist wieder einführen. Bei künftigen Pensionsanpassungen sollen außertourliche Erhöhungen der vergangenen 15 Jahre im Ausmaß von über 700 Mio. Euro verrechnet werden. Das würde schon im Jahr 2025 1,1 Mrd. Euro bringen. Langfristig würde eine Koppelung des Pensionsantrittsalters an die Lebenserwartung hohe Summen bringen: von zwei Mrd. zu Beginn bis hin zu zehn Mrd. Euro pro Jahr auf längere Sicht.
Durch eine nachhaltige Sanierung und notwendige Strukturreformen können jene Spielräume geschaffen werden, um dringend benötigte Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur und zur Behebung von Schwächen in der Wettbewerbsfähigkeit umzusetzen.