Strategien für leistbare Energie

Hohe Energiepreise werden zu einem immer größeren Problem für heimische Unternehmen. An Ideen für kurzfristige Entlastungen und strukturelle Weichenstellungen mangelt es nicht – doch die Zeit drängt.

Die anhaltend hohen Energiepreise bringen die exportorientierte Industrie in Österreich und Europa auf dem Weltmarkt immer stärker unter Druck. Trotz einer Stabilisierung der Preise im Vergleich zu den extremen Ausschlägen des Jahres 2022 liegen diese immer noch deutlich über dem Vorkrisenniveau. Besonders im internationalen Vergleich ergibt sich ein massives Problem: „So liegen etwa die aktuellen Gaspreise in Österreich circa vier- bis fünfmal höher als in den USA“, gibt Martin Hagleitner, CEO der Austria Email AG, zu bedenken. Das hat gravierende Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Betriebe, die am internationalen Markt bestehen müssen.

Kurzfristige Entlastungen sind dringend notwendig. Eine rasche Maßnahme wäre die Aussetzung der Ökostromförderpauschale und des Ökostromförderbeitrags, um die finanzielle Belastung für Unternehmen zu senken. „Zudem sollte die neue Bundesregierung umgehend die Strompreiskompensation für die energieintensive Industrie bis 2030 implementieren. Österreich ist eines der wenigen EU-Länder ohne langfristigen Schutz vor indirektem Carbon Leakage für die stromintensive Industrie“, fordert Hagleitner.

Langfristiger Plan für das Energiesystem
Neben kurzfristigen Entlastungen braucht es strukturelle Weichenstellungen, um die Energiepreise langfristig auf ein international wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Eine der größten Herausforderungen ist die Balance zwischen Klimazielen und Wettbewerbsfähigkeit: „Wir benötigen dringend einen Kassasturz sämtlicher klimapolitischer und ökologischer Vorgaben: Was ist realistisch und wie können wir gleichzeitig international konkurrenzfähig bleiben?“, so Hagleitner. Nationale Alleingänge und überzogene Standards belasten die heimische Industrie und führen zu Wettbewerbsnachteilen. Besonders problematisch ist laut Hagleitner das sogenannte Gold Plating – also die nationale Übererfüllung von EU-Vorgaben –, das zusätzliche Kosten verursacht und die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen im Binnenmarkt schwächt.

Stattdessen braucht es einen funktionierenden Energie-Binnenmarkt mit entsprechender Infrastruktur, von Stromleitungen bis hin zur Wasserstoffwirtschaft. Der Hochlauf erneuerbarer Energien ist notwendig, doch es fehlt eine stabile Netzstruktur, um die stark schwankende Einspeisung von Windkraft und Photovoltaik effizient zu bewältigen. „Der immer stärkere Anteil der Stromerzeugung aus volatilen erneuerbaren Energiequellen bringt unser Stromsystem zunehmend ans Limit“, erklärt Hagleitner. Steigende Netzentgelte sind eine direkte Folge, die wiederum die Industrie belasten. Um langfristig Planungssicherheit zu schaffen, braucht es effizientere Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte sowie einen modernen Rechtsrahmen für die Elektrizitätswirtschaft.

Ein kritischer Blick auf den Gasmarkt
Ein weiteres Schlüsselthema ist die Wiederaufnahme des Gastransits durch die Ukraine, denn die Entwicklung der Gaspreise bleibt ein Unsicherheitsfaktor. Zwischenzeitlich notierten sie wieder über 50 Euro pro Megawattstunde, ein Wert, der sich seit dem Transitstopp russischen Gases durch die Ukraine verdoppelt hat. Hinzu kommt, dass sich die österreichischen Gasspeicher derzeit deutlich schneller als im vergangenen Winter leeren; das Wiederauffüllen im Sommer könnte empfindlich teurer werden.

Ein liquider Gasmarkt ist die Voraussetzung für stabile und wettbewerbsfähige Preise. Österreich sollte sich laut Martin Hagleitner daher rasch mit anderen betroffenen europäischen Ländern für die Wiederaufnahme des Gastransits durch die Ukraine einsetzen.

Die steigende Abhängigkeit von LNG-Importen wird zum nächsten Problem: „Am Flüssiggasmarkt sind wir ein kleiner Player. Die große Nachfragesteuerung kommt aus Asien, und das macht den Markt extrem volatil“, erläutert Energieexperte Johannes Benigni, Gründer von JBC Vienna. Europäische Industriebetriebe werden aufgrund hoher Transportkosten für LNG auf absehbare Zeit mit höheren Energiekosten konfrontiert sein. Die Notwendigkeit, alternative Strategien zu entwickeln, ist daher umso dringlicher.

Wasserstoff als Zukunftsperspektive – aber mit Hürden
Langfristig wird Wasserstoff als Energieträger eine wichtigere Rolle spielen, insbesondere in der Industrie; doch noch fehlen klare Rahmenbedingungen. „Wasserstoff wird ein Luxusgut sein und kein Massenprodukt. Ein Industriebetrieb kann seinen Fertigungsprozess erst auf Wasserstoff umstellen, wenn er sich auf eine gesicherte kostengünstige Versorgung verlassen kann“, gibt Benigni zu bedenken. Die bestehenden Gasnetze könnten zwar technisch für den Transport von Wasserstoff genutzt werden, doch es fehlt an einer gesetzlichen und regulatorischen Grundlage. „Entscheidend ist, dass rasch die rechtlichen und regulatorischen Grundlagen geschaffen werden – allem voran die Umsetzung der europäischen Gas- und Wasserstoffrichtlinie in nationales Recht“, fordert daher Valerie Hackl, Geschäftsführerin von Gas Connect Austria.

Ein vielversprechendes Projekt ist laut Hackl der „SoutH2 Corridor“, der Wasserstoff aus Nordafrika nach Österreich bringen soll. „Österreich ist ein wichtiger Teil dieses Netzwerks. Das ist eine große Chance für den Wirtschaftsstandort, die wir nutzen müssen“, hebt sie hervor. Österreich hätte aufgrund seiner zentralen Lage und der in das europäische Netzwerk eingebetteten Gasinfrastruktur ideale Voraussetzungen, um auch in der Wasserstoffwirtschaft künftig eine Schlüsselrolle zu spielen.

2022 darf sich nicht wiederholen
Die hohen Energiepreise setzen die österreichische Industrie massiv unter Druck. Kurzfristige Entlastungen wie die Aussetzung der Ökostromumlage oder die Strompreiskompensation sind dringend notwendig. Langfristig braucht es eine klare Strategie zur Stabilisierung des Gasmarkts, effizientere Genehmigungsprozesse und einen funktionierenden Energie-Binnenmarkt. Durch den weiteren Ausbau von Windkraft und Photovoltaik steht der Strommarkt vor einer tiefgreifenden Transformation, auch wenn Gaskraftwerke vor allem in Zeiten der Dunkelflaute auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Stromerzeugung spielen werden. „Hätten wir am Höhepunkt der Krise im Jahr 2022 den hohen Gaspreis in der Stromproduktion subventioniert, wie in Spanien und Portugal, hätten wir uns diese sehr hohe Inflation erspart“, gibt Benigni zu bedenken. Zu einer Situation wie im Jahr 2022 darf es keinesfalls wieder kommen, mahnt auch Hagleitner ein.

Noch ist die österreichische Industrie in vielen Bereichen führend in umwelt- und klimafreundlicher Produktion und exportiert Greentech-Produkte in die ganze Welt. Die Industrie braucht jetzt klare politische Entscheidungen, um auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben zu können. Ohne rechtzeitige Maßnahmen werden die Herausforderungen in Zukunft nur noch größer.