Mit dem Clean Industrial Deal State Aid Framework (CISAF) hat die Europäische Kommission einen neuen Beihilferahmen zur gezielten Unterstützung industrieller Dekarbonisierung geschaffen. Die Industriellenvereinigung (IV) erkennt darin wichtige Fortschritte – insbesondere bei der Förderung klimafreundlicher Investitionen in Produktion und Infrastruktur. Gleichzeitig warnt die IV vor übermäßiger Komplexität und fordert Antworten auf eines der drängendsten Standortprobleme: die hohen Energiepreise.
Positiv bewertet die IV, dass CISAF eine beihilferechtlich abgesicherte Stromkostenentlastung ermöglicht – ein langjähriges Kernanliegen der Industrie. In einem gemeinsamen Schreiben vergangene Woche forderten Arbeitgeber- und Industrieverbände aus neun EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Italien und Österreich, die Einführung wettbewerbsfähiger Industriestrompreise als Voraussetzung für Dekarbonisierung und Standorterhalt in Europa. „Mit der Entlastungsmaßnahme liegt nun ein wichtiges Instrument auf dem Tisch. Jetzt braucht es politischen Willen, daraus ein wirksames Instrument für den Standort zu machen“, so Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV).
Allerdings könnten einige Vorgaben im Entwurf verhindern, dass die Strompreise für betroffene Unternehmen wirklich auf ein wettbewerbsfähiges Niveau sinken. Statt direkter Entlastung, wie sie im Vorgängerrahmen des Temporary Crisis and Transistion Framework (TCTF) möglich war, setzt CISAF auf indirekte Förderungen: Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Projekte ohne Beihilfe wirtschaftlich nicht tragfähig wären. Für energieintensive Betriebe ist eine Stromkostenentlastung vorgesehen – aber nur für bis zu 50 % des Jahresverbrauchs und maximal zur Hälfte des Großhandelspreises. Der förderfähige Strompreis darf nicht unter 50 EUR/MWh liegen. Zusätzlich sind Unternehmen verpflichtet, mindestens 50 % der erhaltenen Förderung innerhalb von vier Jahren in konkrete Investitionen in Erneuerbare, Speicher, Wasserstoff oder Effizienzmaßnahmen zu lenken.
Die Europäische Kommission legt zudem fest, dass geförderte Investitionen nicht zusätzlich durch andere staatliche Beihilfen kofinanziert werden. Damit werden kombinierte Förderstrategien für große Transformationsprojekte erschwert. „Dass hohe Energiepreise als Investitionshemmnis anerkannt werden, ist wichtig und richtig. Doch die engen Begrenzungen, starren Schwellenwerte und komplizierten Nachweispflichten machen die Nutzung in der Praxis schwierig. Strompreissenkungsmaßnahmen müssen am Ziel international wettbewerbsfähiger Energiepreise ausgerichtet sein. Sonst drohen gut gemeinte Instrumente wirkungslos zu verpuffen.“, warnt Neumayer.
IV fordert Technologieoffenheit und realistische Fristen
Trotz des erklärten Ziels der Technologieneutralität setzt CISAF in der Anwendung klare Präferenzen. Bestimmte Technologien, wie grüner Wasserstoff (RFNBOs), werden systematisch bevorzugt, während andere emissionsarme Alternativen wie blauer Wasserstoff, Low-Carbon-Fuels oder CO₂-Abscheidung (CCUS) nur eingeschränkt förderfähig sind. Auch Projekte zur Nutzung erneuerbarer Stromquellen über PPAs zur Reduktion indirekter Emissionen bleiben außen vor, obwohl sie sowohl zur Emissionsminderung als auch zur Stabilisierung von Energiepreisen beitragen können. „Der Ausschluss wirtschaftlich sinnvoller Übergangstechnologien schwächt Investitionsbereitschaft, Beschäftigung und Klimaschutz. Statt Technologieoffenheit dominiert eine politische Vorauswahl“, kritisiert Neumayer. „Hinzu kommen starre Projektfristen von 48 Monaten, die für viele industrielle Großprojekte angesichts realer Genehmigungs- und Planungszeiträume schlicht nicht realisierbar sind.“
Jetzt sind die Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament gefordert, den weiteren EU-Gesetzgebungsprozess aktiv mitzugestalten. Es braucht technologieoffene und praxistaugliche Förderinstrumente, realistische Fristen, entschlackte Verfahren und – wo notwendig – flankierende nationale Maßnahmen zur Energiepreisstabilisierung. „CISAF ist ein industriepolitischer Fortschritt, aber seine Wirkung hängt entscheidend von der Umsetzung ab. Industriepolitik darf sich nicht in Regulierung erschöpfen, sondern muss Investitionen ermöglichen“, so Neumayer abschließend.