Konjunkturumfrage

Industrie: Konjunkturelle Durststrecke noch nicht überwunden

IV-GS Neumayer/IV-Chefökonom Helmenstein: Stagnative Entwicklung nach wie vor fordernd – Impulse durch internationalen Handel erforderlich

„Die jüngste IV-Konjunkturerhebung zeichnet weiterhin das Bild einer stagnativen Entwicklung in der österreichischen Industrie. Die Einschätzung des aktuellen Geschäftsganges durch die Unternehmen fällt nunmehr bereits seit sieben Quartalen abermals etwas schwächer aus. Zugleich verbessert sich die Einschätzung für die Geschäftslage in sechs Monaten zum zweiten Mal in Folge, liegt jedoch nach wie vor in negativem Terrain. Während einige Branchen eine Frühjahrsbelebung aufweisen, verzeichnen andere eine nachlassende Dynamik ihrer Geschäftstätigkeit. Per saldo legt das IV-Konjunkturbarometer geringfügig um rund 3 Punkte zu. Eine konjunkturelle Großkrise kann damit als abgewendet betrachtet werden, sofern kein neuer exogener Schock die europäische Wirtschaft trifft“, brachte Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), am heutigen Dienstag in einer Pressekonferenz das derzeitige Konjunkturbild auf den Punkt. „Damit verläuft die österreichische Wirtschaftsentwicklung derzeit parallel zu jener aller anderen führenden Industrienationen, welche ausnahmslos die ökonomischen Auswirkungen der multiplen Krisen der letzten Jahre in Form zum Teil weitaus geringerer Wachstumsdynamiken spüren.“

„Während die fortgeschrittenen Industrienationen zusammengenommen im Jahr 2023 nach der letztverfügbaren Schätzung des Internationalen Währungsfonds mit einem realen Wirtschaftswachstum in Höhe von lediglich 1,3% rechnen können, ist für die Schwellen- und Entwicklungsländer ein Zuwachs um 3,9% zu erwarten. Umso wichtiger ist es, die Potenziale einer besseren internationalen Handelsintegration unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu nutzen. Neue Handelsabkommen stellen dabei einen nicht zu unterschätzenden Baustein dar, um über den Außenhandel Wachstumsimpulse aus der Weltwirtschaft nach Österreich zu importieren“, erklärte IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

Foto: IV


Die Ergebnisse der aktuellen IV-Konjunkturumfrage

Das IV-Konjunkturbarometer, welches als (gewichteter) Mittelwert aus den Beurteilungen der gegenwärtigen Geschäftslage und der Geschäftslage in sechs Monaten bestimmt wird, beginnt sich in positivem Terrain zu etablieren. Sein Wert steigt von 7,5 Punkten auf 10,7 Punkte.

Der leichte Anstieg des IV-Konjunkturbarometers ist ausschließlich auf die Teilkomponente der Geschäftsaussichten mit einem Horizont von sechs Monaten zurückzuführen, welche sich von einem niedrigen Niveau von -20 Punkten auf -11 Punkte verbessern. Sie liegen damit jedoch nach wie vor auf Rezessionsniveau. Lediglich 12% der Befragten erwarten auf Sicht des nächsten Halbjahres einen günstigen Geschäftsverlauf, während knapp ein Viertel mit einer ungünstigen Entwicklung rechnet.

Die Einschätzung der aktuellen Geschäftslage hat sich erwartungsgemäß weiter geringfügig von +34 Punkten auf +32 Punkte eingetrübt. Mit zeitlicher Verzögerung folgt sie damit der Teilkomponente der Geschäftsaussichten, wenngleich in einem deutlich geringeren Ausmaß.

Mit einem Saldo von +28 nach zuvor +32 Punkten liegen die Gesamtauftragsbestände in der Industrie inzwischen weit unterhalb eines aufschwungsaffinen Niveaus, sind im Durchschnitt jedoch auskömmlich, um die Kapazitätsauslastung aufrechtzuerhalten. Zugleich bremst sich ihr Abbau ein, sodass die Auftragsreichweite weniger rasch als in den drei vorhergehenden Quartalen abnimmt. Allerdings könnte die sich andeutende Stabilisierung der Auftragsbestände trügerisch sein, da von der Komponente der Auslandsaufträge, deren Saldo sich von +33 Punkten ebenfalls auf +28 Punkte zurückbildet, wenig Unterstützung zu erwarten ist. Die rasche Aufwertung des Euro gegenüber dem US-Dollar im Ausmaß von 12% innerhalb der letzten sechs Monate wird die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Exporteure auf Drittmärkten außerhalb der Europäischen Union in den kommenden Quartalen zusätzlich beeinträchtigen.

Angesichts des weiterhin trüben Konjunkturbildes halten die Unternehmen an ihrer vorsichtigen Produktionsplanung fest. In saisonbereinigter Analyse der kurzfristigen Produktionserwartungen liegt der Saldo bei -4 Punkten nach zuvor -1 Punkt in negativem Terrain, sodass eine breite Frühjahrserholung in der österreichischen Industrie in den kommenden Monaten ausbleiben wird.

Gegenüber dem letzten Termin hellen sich die Beschäftigungsaussichten hingegen bereits leicht auf. Ihr Saldo erreicht +9 Punkte nach seiner Stabilisierung marginal oberhalb der Nulllinie bei einem Wert von +1 Punkt. Hinter dieser Saldenbetrachtung verbirgt sich ein in stärkere Bewegung geratender Arbeitsmarkt. Mehr als ein Viertel (exakt 27%) der Teilnehmer der Befragung beabsichtigt, binnen drei Monaten den Beschäftigtenstand auszuweiten, umgekehrt vermag allerdings ein knappes Fünftel (exakt 18%) selbigen nicht zu halten. Im Ergebnis ist mit einer zunehmenden Fluktuation von Arbeitskräften und damit einem verbesserten Matching von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage in der Industrie zu rechnen.

Mit einem Saldo von +22 Punkten nach zuvor +41 Punkten ist der der obere Wendepunkt der Preisauftriebsdynamik auf der Ebene der Erzeugerpreise schon vor geraumer Zeit durchschritten worden. Die Warenherstellung wird damit bereits im Verlauf des heurigen Jahres einen disinflatorischen Beitrag zum österreichischen Warenkorb leisten. Bei einer zu erwartenden Fortsetzung dieses Trends zeichnet sich für das kommende Jahr sogar eine erhebliche inflationsmindernde und damit kaufkrafterhaltende Entwicklung der Industriegüterkomponente ab.

Die Vielzahl der konjunkturellen Störfaktoren wirkt auf die aktuelle Ertragslage der Unternehmen zurück. Nachdem der betreffende Saldo zuvor vier Mal in Folge gefallen war, verharrt er wie schon zum vorhergehenden Termin bei einem Saldo von unverändert +9 Punkten. Mit 0 Punkten nach zuvor -13 Punkten erreicht der Saldo der Ertragserwartungen auf Sicht des nächsten Halbjahres erstmals seit einem Jahr neutrales Terrain. Der Anteil der Respondenten mit der Erwartung einer anhaltenden Ertragserosion entspricht somit exakt jenem Anteil mit der Erwartung einer Verbesserung ihrer Ertragssituation.

Wenngleich die Intensität des Konjunkturpessimismus‘ mithin allmählich abklingt, reicht der aktuelle Befund (noch) nicht für die Erwartung eines bald bevorstehenden, von positiven Ertragsaussichten angestoßenen, investitionsgetragenen Aufschwungs aus.

Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 417 Unternehmen mit rund 335.000 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet.

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