EIN KRAFTAKT FUR DAS BILDUNGSSYSTEM

Unter dem Schlagwort „Beste Bildung für Österreichs Zukunft“ hat dieIndustriellenvereinigung ein Programm vorgelegt, das konkrete Maßnahmenfür ein zukunftsfittes Bildungssystem vorschlägt.

Bildung und Wirtschaftswachstum stehen in unmittelbarem Zusammenhang. Länder, die in Bildung investieren, profitieren nachweisbar von einer höheren Produktivität. Laut dem führenden deutschen Bildungsökonomen Ludger Wößmann würde eine Verbesserung der PISA-Leistung um 25 Punkte das deutsche Wirtschaftswachstum bis 2100 um 7,3 Prozent steigern. Bildung ist also der Schlüssel für eine positive wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung. Das österreichische Bildungssystem steht allerdings vor zahlreichen Herausforderungen und es braucht einen Kraftakt, um einen nachhaltigen Wandel herbeizuführen. Die Industriellenvereinigung hat unter dem Titel „Beste Bildung für Österreichs Zukunft“ ein umfassendes Programm erarbeitet. Darin werden konkrete Ziele und Maßnahmen für die Bereiche Elementarbildung, Schulbildung, Sekundarstufe II sowie HTL, aber auch für Fort- und Weiterbildung und Hochschulentwicklung vorgeschlagen.

Innovation durch Bildung

65 Prozent der Kinder, die derzeit in die Schule gehen, werden in Jobs arbeiten, die es heute noch nicht gibt – und sie werden gesellschaftliche Herausforderungen bewältigen müssen, die wir uns noch nicht vorstellen können, und dafür Technologien verwenden, die noch nicht erfunden wurden.

Es liegt in der Verantwortung des Bildungssystems, Kinder und Jugendliche schon jetzt mit dem notwendigen Rüstzeug auszustatten und damit die Innovationsfähigkeit des Landes zu stärken. Grundsätzlich gilt: Je höher der Bildungsabschluss ist, desto höher ist das Lebenseinkommen. Auch das Risiko, arbeitslos zu werden, sinkt mit höherer Bildung nachweisbar deutlich: Die höchste Arbeitslosenrate, rund 30 Prozent, weisen derzeit jene Menschen auf, die nur einen Pflichtschulabschluss besitzen und eine nicht deutsche Erstsprache haben.

Die Herausforderungen

Mangelnde Grundkompetenzen, v. a. in Deutsch, Mathematik und Englisch, erschweren den Einstieg in die nächste Bildungsphase. Österreich investiert etwa 0,7 Prozent des BIP in die Elementarbildung und liegt damit unter dem OECD-Durchschnitt. Vergleichbare Staaten in Europa investieren zwei Prozent des BIP in die frühkindliche Bildung – die Investitionen fehlen in der Qualität der Elementarbildungseinrichtungen. Der anhaltende Abwärtstrend der PISA-Ergebnisse, insbesondere im Haupttestgebiet Mathematik, zeigt eine alarmierende Entwicklung im österreichischen Bildungswesen auf. Der Rückgang von 499 Punkten im Jahr 2018 auf 487 Punkte im Jahr 2022 – und das trotz beachtlicher finanzieller Zuwendungen (Pro-Kopf-Ausgaben von 14.110 Euro im Vergleich zum OECD-Schnitt von 10.670 Euro im Jahr 2020!) – gibt Anlass zur Sorge und erfordert eine tiefgreifende Analyse der bildungspolitischen Maßnahmen. Trotz erheblicher Investitionen in das österreichische Schulsystem bleiben die erzielten Resultate also hinter den Erwartungen zurück. Vergleichbare OECD-Staaten wie z. B. Finnland oder Estland setzen die finanziellen Mittel für Bildung deutlich effizienter ein.

Mangelnde Bildung führt zu einer geringeren Teilhabe am technischen Fortschritt und Volkswirtschaften erleben Rückschritte in sozialer, demokratischer und wirtschaftlicher Hinsicht. Das führt auch dazu, dass viele Betriebe keine passenden Lehrlinge finden – 80 Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer sehen die zu geringe Zahl an qualifizierten Bewerbungen als aktuelle Herausforderung für das Ausbilden von Lehrlingen in ihrem Betrieb. Insbesondere die mangelnde allgemeine Ausbildungsreife und an erster Stelle die unzureichenden Mathematikkenntnisse der Jugendlichen wurden besonders hervorgestrichen.

Zudem folgt die Bildungs- und Berufswahl in Österreich immer noch stark den traditionellen Rollenbildern. Entsprechend gering ist daher der Anteil an Frauen in technischen und informatischen Berufen. Um das zu ändern, bedarf es einer frühen und vor allem kontinuierlichen beratenden Begleitung während der gesamten Bildungslaufbahn. 

➡️ Hier geht’s zu den Broschüren „Beste Bildung“ ⬅️

5 MASSNAHMEN FUR EIN 5 MASSNAHMEN FUR EIN ZUKUNFTSORIENTIERTES ZUKUNFTSORIENTIERTES BILDUNGSSYSTEM 

Grundbildung als Fundament für erfolgreiche Bildungs- und Berufskarrieren

Qualitätsvolle Grundbildung beginnt im Kindergarten und ist die Basis für alle weiteren Bildungs- und Berufswege. Es braucht daher aus Sicht der IV dringend eine Offensive für qualitative Grundbildung, die die individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ins Zentrum stellt. 

Mittels der Entwicklung eines individuellen Stärkenportfolios können künftig besondere schulische Leistungen wie auch außerschulische Erfolge, Interessen und Stärken hervorgehoben werden. Das Portfolio soll den Schülerinnen und Schülern als Unterstützung bei der Wahl ihres weiterführenden Bildungs- und Berufswegs dienen und den aufnehmenden Institutionen bzw. Ausbildungsbetrieben ein besseres Bild der Bewerberinnen und Bewerber ermöglichen.

Als formaler Endpunkt einer Bildungspflicht ist aus Sicht der IV ein zertifizierter Abschluss vorzusehen, der eine hohe Aussagekraft zum Wissens- und Kompetenzerwerb besitzt.

Evaluierung des Schulsystems für Transparenz und mehr Leistungsfähigkeit

Die IV schlägt vor, dass mittels regelmäßiger und verpflichtender Evaluierungen des Schulsystems bzw. jedes Schulstandorts mit bereits vorhandenen Daten konkrete Strategien, Ziele und Maßnahmen für die kommenden Jahre entwickelt werden. Dadurch können Ressourcen gezielt dort eingesetzt werden, wo sie wirklich benötigt werden. Besonders erfolgreiche Schulstandorte könnten als „Best Practice“ dienen und anderen Schulen gegenüber als Impulsgeber fungieren.

Ein entscheidender Schritt in diese Richtung ist die Schaffung eines fairen Evaluierungssystems, das auf einem nachvollziehbaren Kriterienkatalog basiert. Dieses System soll langfristig die Qualitätssicherung im Bildungsbereich steigern, was allen Beteiligten, einschließlich Schülern und Lehrkräften, zugutekommen würde.

Die notwendigen Daten für eine umfassende Evaluierung werden bereits von der Statistik Austria erfasst und sind verfügbar. Zudem wird beispielsweise bereits seit 2012 eine Verschneidung von Arbeitsmarkt- und Bildungsdaten durchgeführt – der flächendeckende Einsatz dieser Daten bleibt aber bisher minimal.

Früh investieren: Kindergarten als Schlüssel für langfristige Bildungserfolge

Der vielfache Mehrwert frühkindlicher Bildung in individueller und gesellschaftlicher Hinsicht ist mehrfach empirisch belegt. Die notwendigen Investitionen in den Ausbau hochwertiger Elementarbildungseinrichtungen rentieren sich nach konservativen Berechnungen mindestens um das Achtfache und können mit späteren Maßnahmen nicht erreicht werden.

Dieser Mehrwert äußert sich beispielsweise in der Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten, in der Lernbereitschaft und Lernfreude, im Schulerfolg und im Sozialverhalten. Kinder, die Elementarbildungseinrichtungen besucht haben, erzielen bei PISA-Testungen regelmäßig eine höhere Punktezahl in Lesekompetenz und Rechnen. Langfristig betrachtet können volkswirtschaftliche Effekte wie höhere Beschäftigungsquoten und Steuerleistungen, niedrigere Kriminalitätsraten sowie bessere Gesundheitswerte beobachtet werden.

Die Forschung zeigt, dass sich Investitionen in den Kindergarten und frühkindliche Bildung langfristig auszahlen. Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr und der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung sollen künftig aus Sicht der IV sicherstellen, dass jedes Kind die bestmöglichen Startvoraussetzungen erhält. Gleichzeitig strebt die IV eine Qualitätssicherung in der Elementarbildung an.

Pädagogische Qualität soll in den Strukturbedingungen wie Personal-Kind-Schlüssel, der räumlich-materiellen Ausstattung für Kinder, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie der Qualifikation des Personals sichtbar werden. Außerdem ist die Qualität der Ausbildung bundesweit anzuheben.

Grundkompetenzen zu Arbeitsmarktkompetenzen weiterentwickeln

Erst auf Basis einer qualitätsvollen Grundbildung gelingt das, was im ureigensten Interesse der Industrie ist: jene Kompetenzen auszubilden, die unmittelbar in den Unternehmen nachgefragt werden. Dies geschieht in Österreich in erster Linie im Rahmen der beruflichen Bildung.

Gerade bei der betrieblichen Lehre gilt es, Hürden zu beseitigen, die ihr Image weiterhin beeinträchtigen, wie z. B. eine relativ unstrukturierte Einstiegsphase oder wenig bekannte Weiterbildungsmöglichkeiten nach Abschluss einer Lehre. Die Bedeutung des Standort-Assets HTL gehört mehr in den Fokus gerückt – sie muss unbedingt Teil einer MINT-Ausbaustrategie sein.

Im hoch qualifizierten Bereich gilt es insbesondere für die Hochschulen, z. B. einerseits ein österreichweites, maßgeschneidertes, strategisch kluges MINT-Maßnahmenbündel zu schnüren, andererseits Studienpläne auf deren Arbeitsmarktfähigkeit hin abzuklopfen.

Konkret könnte man finanzielle Anreize setzen, um das Interesse an besonders arbeitsmarktrelevanten Studien zu erhöhen, den Ausbau von MINT-Studienplätzen an den Fachhochschulen vorantreiben und Drop-out-Quoten in den universitären MINT-Fächern verringern.

Doch die großen technologischen Herausforderungen unserer Zeit verlangen mehr denn je nach dem sprichwörtlichen „lebenslangen Lernen“. Für die Vermittlung beruflicher Kompetenzen auf allen Ebenen braucht es klare Analysen und Empfehlungen dazu, in welche Richtung das Kompetenzangebot Österreichs weiterentwickelt werden soll, z. B. durch einen jährlichen Skills-Bericht einer neu einzurichtenden „Skills-Agency”.

Skills am Puls der Zeit vermitteln

In der modernen Gesellschaft und Arbeitswelt braucht es ein grundsätzliches Verständnis eines Growth Mindsets bzw. dynamischen Selbstbilds. Perspektivenvielfalt und Vernetzung schaffen die Basis für lebenslanges Lernen, das eine weiterführende, individuelle Spezialisierung ermöglicht. Die Schülerinnen und Schüler wünschen sich selbst bessere Vorbereitung auf das Leben, etwa durch mehr Wirtschaftsbildung und mehr Unterstützung bei der Gestaltung ihres persönlichen Bildungs- bzw. Berufswegs.

Im Hochschulkontext verhilft challenge-based Learning zu mehr Arbeitsmarktnähe, indem Praxisprojekte systematisch in die Lehre und Forschung integriert werden. Partizipative Formate (Co-Creation Labs, Innovation Hubs) befördern interdisziplinäres Denken, Kooperationsfähigkeit und die in Zeiten der digitalen Transformation mehr denn je notwendige Fähigkeit des Übersetzens zwischen den Welten der Expertinnen und Experten.

Ziel ist, durch eine gute Job Readiness die Arbeitsmarktchancen der Graduierten zu optimieren und den österreichischen Wirtschaftsstandort abzusichern.