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Anwältin des Standorts

Weniger Investitionen

Im Jahr 2021 gab es – angeschoben durch die Investitionsprämie – noch ein starkes Investitionsgeschehen. Seither ging es bergab, vor allem bei den Ausrüstungsinvestitionen und den Bauinvestitionen. Heimische Unternehmen investieren zudem häufiger an Standorten im Ausland, wo die Rahmenbedingungen dafür besser sind, während umgekehrt weniger ausländisches Kapital in den Standort Österreich fließt. Zwischen 2019 und 2023 lagen die Direktinvestitionen österreichischer Unternehmen im Ausland bei 41 Milliarden Euro, während ausländische Unternehmen in Österreich nur 25,3 Milliarden Euro investiert haben. Das hat Auswirkungen auf Arbeitsplätze, Wachstum und Innovation.

Wie ist Österreich in diese schwierige Lage geraten? Es ist vor allem das „Preis-Leistungs-Verhältnis“ des Standorts Österreich, das zur dramatischen Erosion der Standortattraktivität Österreichs geführt hat. Und bis dato ist keine Besserung in Sicht: Hohe Lohnabschlüsse lassen die Lohnstückkosten laut Oesterreichischer Nationalbank von 2023 bis 2026 um durchschnittlich 5,7 Prozent pro Jahr steigen – das sind um 2,1 Prozentpunkte mehr als im Euroraum. Gleichzeitig haben die bürokratischen Belastungen enorm zugenommen, was von den Unternehmen als Investitionshemmnis wahrgenommen wird. Vieles davon wird auf EU-Ebene entschieden – in der nationalen Umsetzung aber mitunter noch übererfüllt, was die Problematik weiter verschärft.

Strukturreformen

Trotz des Krisenmodus der vergangenen Jahre sind der letzten Bundesregierung einzelne Strukturreformen gelungen. So hat die teilweise Abschaffung der kalten Progression 2023/24 eine Entlastung im Gesamtvolumen von 1,95 Milliarden Euro gebracht. „Mit der Abschaffung der kalten Progression und den daraus folgenden Anpassungen der Steuerstufen kommen die Lohnerhöhungen auch tatsächlich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an. Dadurch wird Arbeit attraktiver und Leistung fairer belohnt“, sagt Neumayer. Weiterhin offen, aber dringend notwendig sind jedoch Reformen des Abgaben- und Pensionssystems, um Arbeitsanreize zu setzen und Leistung zu belohnen. Angesichts der stark gestiegenen Budgetbelastung durch das Pensionssystem muss der längere Verbleib älterer Menschen im Erwerbsleben attraktiver werden und die gestiegene Lebenserwartung im System abgebildet werden.

Auch eine Arbeitsmarktreform wird bei der nächsten Bundesregierung weit oben auf der Agenda stehen müssen, um dem anhaltenden Fachkräftemangel zu begegnen – neben Arbeitsanreizen hat damit aus Sicht der Industriellenvereinigung auch eine Reform des Arbeitslosengeldes einherzugehen. Hinzu kommt: Ohne qualifizierte Zuwanderung wird Österreich den Arbeitskräfte- und Fachkräftemangel kaum mindern können.


Nur mit mutigen und ehrgeizigen Schritten wird es uns gelingen, Österreich wieder auf einen Wachstumspfad zu führen. Wirtschafts- und strukturpolitischen Stillstand oder gar standortschädliche Maßnahmen kann sich Österreich in der aktuellen Situation nicht leisten. Die Industriellenvereinigung wird auch in der bevorstehenden Legislaturperiode stets auf die notwendigen Maßnahmen für den Standort Österreich und Europa hinweisen und auch der neuen Bundesregierung stets als starke Partnerin und unabhängige Anwältin des Standorts zur Verfügung stehen.

Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär

Abgabenquote senken

Bereits die Debatte über neue Steuerideen schadet dem Wirtschaftsstandort. Österreich ist schon jetzt mit 43,6 Prozent Abgabenquote – das sind Steuern und Sozialbeiträge in Prozent des BIP – in der (negativen) Weltspitze. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass eine hohe Abgabenquote keine notwendige Bedingung für einen gut ausgebauten Sozialstaat ist: In Island liegt die Abgabenquote bei 36 Prozent, in den Niederlanden bei 39 Prozent und in der Schweiz bei 27 Prozent. Eine schrittweise Senkung dieser Quote auf höchstens 40 Prozent in Österreich ist eine notwendige Entlastungsmaßnahme. Die Lohnnebenkosten müssen zumindest auf das Niveau Deutschlands gesenkt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Unternehmen zu stärken – in Österreich betrugen die indirekten Arbeitskosten der Arbeitgeber in den Sektoren Industrie, Bauwesen und Dienstleistungen 2022 26,6 Prozent der Arbeitskosten, während sie in Deutschland bei 23,3 Prozent lagen.

Gleichzeitig wird demnächst auch die nächste EU-Kommission die Arbeit aufnehmen. Auf dieser Ebene braucht es aus Sicht der Industrie die Umsetzung eines ehrgeizigen „New European Competitiveness Deal“, die Ergänzung des „Green Deal“ durch eine Industriestrategie, eine ambitionierte Handelsagenda und unbedingt den bereits angekündigten, aber unterambitionierten Bürokratieabbau.